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König Laurin

Herrscher über bestes Familienkino

Irgendwann im Mittelalter, irgendwo auf irgendeiner Burg im obligatorischen Verlies: Statt Streckbank gibt’s eine Streckwand, und an selbiger hängt Teenager Theo. Echte Strafe, gelinde übertriebene Erziehungsmaßnahme? Mitnichten – Theo ist Sohn des Königs Dietrich und leider derart klein von Wuchs, daß jegliche Rüstung am Körper klappert, was das Folterinstrument langfristig richten soll.

Es gehört wohl schon ein selten unverkrampftes Gemüt dazu, solchen leicht irren Beginn für einen Kinderfilm zu wählen. Tatsächlich darf man Regisseur und Drehbuchautor Matthias Lang zu offensichtlicher Entspannung gratulieren: das Spielfilmdebüt mittels Crowdinvesting ins Leben geholt, damit weitgehend unabhängig geblieben, auf starre Regeln gepfiffen, die eigene Vision umgesetzt und was Großartiges geschaffen. Nämlich ein Familienabenteuer, dessen – manchmal schon sichtbar niedriges – Budget nicht für Effekte, Schnickschnack und Nippes verpulvert wurde, sondern Geschichte, Darstellern sowie allumfassender liebevoller Hingabe die Beine stärkte.

Apropos Geschichte: Wie oben erwähnt, geht’s grundsätzlich um den schmächtigen Theo, welcher außerdem keine Lust auf Eroberungszüge und Schlachten spürt. Das wäre aber an sich nötig, weil Dietrich kürzlich alle Zwerge aus seinem Reich verbannte, diese wiederum trugen beim Auswandern das Wissen um Botanik und Nutzpflanzenpflege davon, weswegen jetzt kaum was bis nix wächst, Lebensmittelpreise schwindelerregend explodieren, die Menschen hungern und rebellieren. Man kann Dietrichs Wut allerdings verstehen, fiel doch die Frau Gemahlin einem Attentat der Kleinwüchsigen zum Opfer. Als der sagenumwobene Zwergenkönig Laurin Theos Leben rettet, stellt sich die Sachlage selbstverständlich anders dar: Böse Mächte spinnen finstere Intrigen, der Mordanschlag galt weder Theos Mutter, noch verübte ihn das friedfertige Volk unter Regent Laurin ...

Nun könnte man sich ganz erwachsen in den Mäkel-Modus begeben, um das Haar in der Suppe zu finden; unter anderem hat sich die Deutsche Film- und Medienbewertung entsprechend entschieden und bemerkte trotz allerhand Lobes, daß „bei einigen Sequenzen Schwächen in der Musikregie zu spüren sind.“ Oder man atmet befreit durch und nimmt Langs Angebot wahr, für anderthalb Stunden mal wieder begeistertes Kind zu sein, angesichts jenes detailliert, hintergründig und sorgfältig inszenierten Wunderwerks, dessen Humor den Kleinen viel bietet, ohne darüber die Großen zu vergessen – schlicht genial beispielsweise die Idee, daß Winterhufe den Kraftfutterverbrauch deutlich erhöhen.

Unmöglich zu sagen, wovon es am nachdrücklichsten zu schwärmen gilt: einer Prinzessin, deren emanzipierter Freigeist eigene Partnerwahl fordert und klaren Ansagen („Irgendwann werden Jungs nicht mehr älter; sie wachsen nur noch!“) zum Tönen verhilft? Schauspielern, denen die offenkundige Freude beim Dreh jederzeit anzumerken ist? Im Rahmen des Genres wirklich spannenden Szenen, darunter ein mehrere Disziplinen umfassendes Turnier mit einer Truhe voll Gold und einer Frau (in jener Reihenfolge) als Siegprämie? Oder natürlich der zwar bekannten, jedoch erstaunlich komplex dargebotenen Toleranz-und-Zusammenhalt-Moral?

Letztlich egal, Fakt bleibt: Es gab lange Zeit kein vergleichbar starkes, generationenübergreifend mitreißendes Märchen. Chapeau, Herr Lang, und bitte unbedingt so weitermachen – wir freuen uns schon jetzt auf Kommendes.

D 2016, 85 min
FSK 0
Verleih: Zorro

Genre: Kinderfilm, Märchen

Darsteller: Florian Burgkart, Volker Zack Michalowski, Rufus Beck, Dietmar Huhn, Patrick Mölleken

Stab:
Regie: Matthias Lang
Drehbuch: Matthias Lang

Kinostart: 01.09.16

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...