Originaltitel: LES SAISONS
F/D 2015, 97 min
FSK 0
Verleih: Universum
Genre: Dokumentation, Natur
Stab:
Regie: Jacques Perrin, Jacques Cluzaud
Stimmen: Sebastian Koch
Kinostart: 10.03.16
Am Anfang war ewige Kälte. Doch dann, dem Klimawandel sei Dank, zog sich, ungefähr 15.000 Jahre ist das her, das Eis zurück, und im vergletscherten Schneewüsteneuropa begann, was im neuen Film von Jacques Perrin und Jaques Cluzaud „das goldene Zeitalter des Waldes“ genannt wird. Ein Zeitalter, das sich bis hinein in die Jungsteinzeit erstreckte; hin bis zu jenem Moment, als der Mensch verstärkt begann, das Antlitz der Erde zu verändern.
Allerdings hört dort die Zeitreise, die in UNSERE WILDNIS unternommen wird, noch lange nicht auf. Und es ist der eine Pluspunkt an Perrin und Cluzauds neuer Exkursion, daß die beiden Naturfilmer, die schon mit NOMADEN DER LÜFTE und UNSERE OZEANE zu begeistern wußten, dieses Mal genau das vollführen: eben nicht nur eine Reise in die Natur, im konkreten Fall in den europäischen Wald, sondern auch eine durch die Zeit, durch die Jahrtausende, die von der Entstehung dieser „unseren Wildnis“ bis zu ihrer endgültigen Domestizierung (und vielleicht Vernichtung) in unserer Gegenwart reicht.
Mit LES SAISONS ist das im Original besser tituliert. Weil diese Filmreise durch die Zeit auch eine durch die Jahreszeiten ist. Das ewig Wiederkehrende im ewigen Wechsel und das, was darin zu verschwinden droht durch Menschenhand. In dieses dramaturgische Spannungsfeld betten Perrin und Cluzaud ihre Bilder. Und es sind, man muß es sagen, großartige Bilder: mächtige Bisons, die stoisch einem Schneesturm trotzen. Ein Braunbär, der riesig und träge in der Astgabel eines Baumes lümmelt. Die spektakuläre, mit Highspeed-Kamera konturscharf, ohne kleinste Bildverwischung in Szene gesetzte Jagd eines Wolfsrudels auf eine Herde Wildpferde. Dazu immer wieder das Schweben über bis zum Horizont sich erstreckenden Baumkronen im Wechsel der Jahreszeiten.
Insgesamt ist das – und man mag das als Kritikpunkt empfinden – weniger nach Richtlinien der Naturbeobachtung als denen einer Natur-Dramatisierung in Szene gesetzt. Wohlgemerkt: in Szene gesetzt, nicht inszeniert. Der Unterschied mag klein sein, ist aber wesentlich. Und zeigt sich auch im Wissen um die Notwendigkeit von Ruhepunkten, des durchatmenden Innehaltens beim Zeigen des Atemberaubenden. Wozu der zweite Pluspunkt des Films gehört: daß der Kommentar auf der Tonspur oft schweigt und somit nicht nur sehen, sondern auch hören läßt, was „unsere“ Wildnis an Wundern birgt.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.