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Berliner Philharmoniker in Singapur

Mit dunkler Brille im Konzert ...

… zu sitzen, das ist ja fast ein solcher Fauxpas wie geräuschvolles Auswickeln eines Hustenbonbons. Geht also gar nicht. Hier hat der Zuschauer und -hörer indes keine Wahl, denn wieder steht 3D auf dem Plan, im Genre allerdings als Weltpremiere. Blättern wir zu Beginn erst mal durchs Programmheft.

Gespielt wird von den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattles Leitung zunächst Mahlers „Sinfonie Nr. 1“ – und wie man vernehmen darf, hat Rattle am filmischen Ergebnis Gefallen gefunden. Verständlicherweise: Musikalisch gibt es nichts zu bemängeln, und der medienseitig häufig als „Popstar unter den Dirigenten“ belächelte „Sunny Sir Simon“ weiß ganz klar, wie er sich ins rechte Licht rückt. Ein Grinsen hier, pathetische Gesten dort, dem Takt angepaßt wippende Locken; bloß die Taschentuchnummer im Luciano-Pavarotti-Stil bedarf etwas Feinschliffs. Sonst alles angemessen wirkungsvoll gemacht, auch – um das erneut zu betonen – beim Führen des zu großer Form auflaufenden Orchesters.

Doch gilt dies ebenso für den erwähnten 3D-Effekt? Nun, leider wenig bis gar nicht. Bislang ungesehene Bilder soll das Format liefern, kommt aber über Brimborium nie hinaus. Zwar mühen sich Kamera und Schnitt redlich, durch sanfte Dynamik die Abgefilmtes-Konzert-Statik aufzubrechen, werden dabei allerdings von der dritten Dimension immer wieder torpediert. Etwa dann, wenn für die Aufzeichnung eingesetzte Mikrofone protzig ins Bild hängen, oder eine Harfenistin aufmerksam am Instrument zupft – und plötzlich vor ihr aufpoppende Geigenbögen scheinbar das Publikumsauge auszustechen suchen. Was bloß den Eindruck verstärkt, daß die hintereinander sitzenden Musiker sich auf Ebenen aufzuteilen scheinen und somit kaum etwas sichtbar Sinnvolles oder – wie vom Verleih angekündigt – Spektakuläres geboten wird.

Visuell richtig unnötig schließlich Teil 2: Zu Rachmaninovs „Sinfonischen Tänzen“ geht der Film auf Tour durch Singapur, streut Aufnahmen tanzender Frauen, alter Männer oder der omnipräsenten Hektik ein, gern als Zeitrafferaufnahmen. Wieso, weshalb, warum? Gut, irgendwie mußte man dem Untertitel, welcher „A Musical Journey“ verspricht, vielleicht genügen. Trotzdem gehen Optik und Akustik keine Symbiose ein, und das Ganze wirkt, als hätte hier jemand einfach ein bißchen mit 3D herumspielen wollen. Bleibt nur ein Tip: Brille absetzen, Augen schließen.

D 2011, 105 min
FSK 0
Verleih: NFP

Genre: Dokumentation, Musik

Darsteller: Sir Simon Rattle, Berliner Philharmoniker

Regie: Michael Beyer

Kinostart: 20.10.11

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...