Originaltitel: NIKI
F/Belgien 2024, 99 min
FSK 12
Verleih: Neue Visionen
Genre: Biographie, Drama
Darsteller: Charlotte Le Bon, John Robinson, Damien Bonnard
Regie: Céline Sallette
Kinostart: 20.03.25
Knallbunte Popart-Superweiber, die es vor lauter Daseinsfreude und trotz Leibesfülle kaum am Boden hält: Das sind die Nanas. Mit ihnen ging Catherine Marie-Agnès Fal de Saint Phalle, genannt Niki, in die Kunstgeschichte ein. Seltsam deplaziert wirkte die gertenschlanke Tochter aus gutem Hause neben ihren kugeligen Riesinnen. Pressefotografen inszenierten sie gelegentlich als kapriziöse Asketin, die sich an ihren üppigen Geschöpfen fast ein wenig sattgesehen zu haben schien. Dieses Spielfilmporträt kommt nun gänzlich ohne Nanas aus. Denn Céline Sallettes Lebensabschnittsbetrachtung nimmt eine Dekade in den Blick, in der Niki über die vergnügten Weibergestalten ihres reiferen Ichs wohl in Wut geraten wäre.
1952 übersiedelt die 22jährige mit ihrem ebenfalls blutjungen Angetrauten Harry Mathews von Boston nach Paris – im Gepäck die Literatenpläne des Gatten, ein Baby und dumpfe Erinnerungen an das Anwesen ihrer Eltern. In Paris versucht sich der Bankierssproß als Fotomodell, als Theatermimin, als Hausfrau, als Gastgeberin für die neuen Bohème-Bekannten. Aber wozu die Messer unter der Matratze? Woher die Absencen? In der Psychiatrie soll Niki sich wieder fassen. Sie erbettelt Klebstoff, arrangiert Zweige und Scherben, die unter ihren Händen zu sprechen beginnen: über verdrängten Mißbrauch und zerschlagenes Vertrauen. Noch belächelt man die künstlernde Elfe. Doch der Maschinenzauberer Jean Tinguely, in den sie sich verliebt, erkennt in dem „netten Mädchen“ schnell den „Teufelskerl.“ Niki macht kaputt, was sie kaputt macht – symbolisch, aber reinigend. Ab 1956 fabriziert sie „Schießbilder“ zur öffentlichen Exekution ihrer Dämonen – und erntet dafür erste kritische Anerkennung.
Das Regiedebüt von Sallette ist nicht nur Nana-frei, sondern überhaupt geizig mit Werkbeispielen. Eine Frage der Lizenzen? Ein durchdachtes Konzept? Nun, wer auf prüfbare Belege Wert legt, muß sich halt durch Bildbände blättern. Hier werden Leinwand und Saal zum Arbeiten gebraucht: an der Entfaltung einer verknitterten Psyche, die uns aus den großen, irrlichternden Augen von Hauptdarstellerin Charlotte Le Bon entgegenschaut wie ein angeschossenes Tier. Wir erleben die Geburt einer Künstlerin aus dem Geiste der Traumatherapie. Nicht so radikal-feministisch, wie Niki de Saint Phalle sie verstanden wissen wollte. Aber immerhin.
[ Sylvia Görke ]
Passage Kinos: 16:30
Passage Kinos: 16:30
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