Originaltitel: CAPTAIN FANTASTIC

USA 2016, 120 min
FSK 12
Verleih: Universum

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Viggo Mortensen, Frank Langella, George MacKay, Steve Zahn, Missi Pyle, Kathryn Hahn

Stab:
Regie: Matt Ross
Drehbuch: Matt Ross

Kinostart: 18.08.16

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Captain Fantastic

Operation gelungen, Patient tot

Verkehrte Welt? Verkehrter Wald? Oder doch verkehrte Zeit? Sicher bleibt, daß in dieser ausgedehnten Anfangssequenz irgend etwas nicht stimmt: bleichgesichtige Halbwüchsige beim blutigen Ausweiden von Jagdwild, mitten im sogenannten Pazifischen Nordwesten der USA? Mit „unkonventionell“ ist Familie Cash (Welch’ ein Name für eine Bande von Konsumverweigerern!) nur ungenügend beschrieben. Sie besteht aus Vater Ben, einem hochgebildeten Althippie, seinen sechs Kindern und einer zukünftig abwesenden Mutter, die mit ihrem Selbstmord nicht nur Trauer hinterläßt, sondern auch Fragen. Wie, warum und bis wohin funktioniert ein alternatives Lebensmodell? Und woher kommt die große Sehnsucht nach Anpassung?

Diese Tragikomödie über den Ausstieg aus dem Ausstieg ist Matt Ross’, eigentlich Kino- und Fernsehschauspieler, zweite Regiearbeit. Und er macht besonders als gewitzter, für Dekorationskleinigkeiten begabter Architekt eines utopischen Denkgebäudes in der Bilderbuchwildnis einen verdammt guten Job. Bis in die Details malt er Bens Bildungsprojekt für den durch Marktgesetze, Fast Food und Konformismus bedrohten Nachwuchs aus: gemeinsame Reflexionen über Quantenverschränkung und Planck-Zeit am Lagerfeuer, Hausmusik, Trainingseinheiten für Körper und Geist, Gemüse aus eigenem Anbau. Bens Ältester würde mit Kußhand von jeder Eliteuniversität des Landes angenommen. Das hat Bodevan sogar schriftlich. Daß er dem Vater allerdings nichts von diesen Briefen erzählt, gehört zu den paradoxen Zeichen des Scheiterns beim Gelingen – das Experiment führt sich selbst ad absurdum. Spätestens, als die Mutter unter die Erde soll, und zwar so, wie es sich die kleinbürgerlichen Großeltern wünschen.

CAPTAIN FANTASTIC zeigt, was US-amerikanisches Kino kann, wenn es sich der ureigenen Themen mit aller gebotenen Haßliebe annimmt. Nicht umsonst erinnert der Titel an all die wundertätigen Superhelden mit Superkräften aus der Comic-Literatur. Nicht zufällig spielt Matt Ross mit Assoziationen zu religiöser Sektiererei und Marlboro-Man-Romantik, mit deutlichen Hinweisen auf den Zusammenhang von Selbstermächtigung und Selbstgerechtigkeit. Daß die Parodie nicht allzu komplizierte, aber effektive Wege geht, daß die Geschichte Moral hat, auch didaktisches Pathos und ein gerüttelt Maß an versöhnlichem Drive, muß man nicht schön finden. Aber folgerichtig.

[ Sylvia Görke ]