D 2020, 104 min
FSK 12
Verleih: Constantin
Genre: Tragikomödie
Darsteller: Christoph Maria Herbst, Nilam Farooq, Hassan Akkouch
Regie: Sönke Wortmann
Kinostart: 28.10.21
Einen so vollen Hörsaal würden sich gerade jetzt viele Studierende sicherlich wünschen. Dicht an dicht sitzen die angehenden Juristen, das überprivilegierte Leben schon vor Augen, wie der betagte Professor später sagen wird. Doch erst mal beleidigt er Naima, die junge migrantische Studentin, die zu spät kommt, und für die deshalb der Auftritt vor versammelter Mannschaft zur Hölle wird. Doch weil heute alles digital ist und die Schmach ins Internet sickert, hat die verbale Übergriffigkeit Folgen. Dem Professor liegt also die Schlinge um den Hals, deshalb läßt er sich breitschlagen, Naima auf einen Debattierklub vorzubereiten, eine inneruniversitäre Eliteveranstaltung. Auch wenn man das französische Original DIE BRILLANTE MADEMOISELLE NEÏLA nicht gesehen hat, ahnt man ein wenig, was kommen muß: Der Professor und die Studentin werden gemeinsam diese Sache wuppen, jeder auf seine Weise.
Doch CONTRA ist vor allem deshalb ein großartiges Kinoerlebnis, weil Sönke Wortmann diese schon bekannte Geschichte als tiefsinnige und überaus schlau durchdachte Gesellschaftskritik inszeniert. Christoph Maria Herbst verkörpert den rassistisch getünchten Uni-Professor Richard Pohl grandios. Dieser Pohl bringt mit rhetorischer Präzision seine Gegner zu Fall, ist im Inneren aber ein verletzter Mann, den der Schmerz hart gemacht hat. Nilam Farooq als Naima gibt die ehrgeizige Tochter einer Einwandererfamilie, die alle Zurückweisungen kennt, die das Leben der Zugezogenen mit sich bringt, und die kämpft, weil sie Kraft hat. Und Mut. Daß genau diese beiden Charaktere den Kampf gegeneinander aufnehmen, gleicht einer Art gesellschaftlichen Revolution: Da steht Frau gegen Mann, Schwarz gegen Weiß, Jung gegen Alt. „Die wichtigste Fähigkeit in Ihrem Leben wird es sein, andere zu überzeugen. Recht bekommen“, lehrt Pohl Naima und bringt ihr damit nicht nur juristisches Handwerkszeug nahe, sondern auch die Grundregeln unserer kapitalistischen Werteordnung, in der es darum geht, sich selbst zu verkaufen und im Idealfall damit für das Gute einzustehen.
Die Dialoge sind von trefflicher Klugheit und pointiertem Witz, bisweilen sogar herzerweichend. Während er provoziert und herausfordert, läßt sie mehr und mehr ihre Zweifel hinter sich und wird lauter, stärker, fragt, fordert und kontert. Diese persönliche Emanzipation ist ermutigend und auf ihre Art radikal, auch für den Professor. Denn nur in der Begegnung mit anderen – so macht es der Film unmißverständlich deutlich – erkennen wir uns selbst.
[ Claudia Euen ]