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Der Weiße mit dem Schwarzbrot

Porträt eines besessenen Weltverbesserers

Geschichten, die nur das Leben schreibt. Das ist die Beute, die der Dokumentarfilmer zu jagen pflegt. Die Lebensgeschichte Christof Wackernagels, dem hier Porträtierten, ist da ein vortreffliches Revier. Der Mann ist ehemaliger Starschauspieler, Ex-RAF-Mitglied, Autor, Musiker und vor allem eins: ein besessener Weltverbesserer. Genug Potential also für mehrere Dokus, für eine allein vielleicht ein bißchen viel. Denn wenn man Jonas Groschs Film etwas vorwerfen kann, ist es sicherlich, daß er bei den vielen Dingen, die für Wassernagel stehen, bei keinem Aspekt Tiefgründigkeit erreicht.

Was Grosch auf keinen Fall wollte, war die RAF-Vergangenheit überzubetonen. Sie ist Randthema, als prägende Erfahrung, als Lieferant für beängstigend lustig erzählte Anekdoten Wackernagels. Wer aber eine ernsthafte, kritisch beleuchtete Auseinandersetzung sucht, der muß anderswo schauen und wird sicher reichlich fündig. Dieses Kapitel ist für Wackernagel, und wohl auch für Grosch, abgehakt. Kämpferischer Idealist ist der redefreudige Aussiedler immer noch. Wenn er sich über die Ungerechtigkeit der Welt ereifert oder die Arroganz deutscher Politiker, dann blitzt jene Manie auf, die den jungen Christof wohl zur RAF und später 10 Jahre ins Gefängnis brachte. In Mali versucht er mit ehrgeizigen Projektideen seinen Revolutionshunger nun pazifistisch zu stillen: eine Friedenskarawane durch Afrika, ein Spielprojekt für Kinder, das gleichzeitig das Müllproblem in Mali lösen soll, und sogar eine Bäckerei für deutsches Schwarzbrot, das titelgebende Projekt, hat er weiterhin vor zu etablieren, trotz explodierten Backofens beim ersten Versuch.

Wackernagel ist ein Mann, dem nie die Worte ausgehen und auch wenn das, was er sagt und tut, nicht immer klug ist, ist es zumindest unterhaltsam. Tiefgründigkeit hin oder her, Groschs Betrachtung dieser aufbrausenden Persönlichkeit gewinnt auch etwas durch den Verzicht auf kritische Distanz und Analysen, und zwar eine Leichtigkeit, die den Charakter des Protagonisten spiegelt. Nicht immer alles zerdenken, sondern handeln, die Welt verändern, bevor sie dich verändert. Und damit offeriert sie dem geneigten Zuschauer neben Unterhaltsamkeit vielleicht sogar noch etwas Inspirierendes.

D 2007, 73 min
Verleih: MMM

Genre: Dokumentation

Darsteller: Christof Wackernagel, Mamadou Coulibaly

Stab:
Regie: Jonas Grosch
Drehbuch: Jonas Grosch

Kinostart: 28.08.08

[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...