Originaltitel: LE BRIO
F 2017, 97 min
FSK 0
Verleih: SquareOne
Genre: Tragikomödie
Darsteller: Camélia Jordana, Daniel Auteuil
Regie: Yvan Attal
Kinostart: 14.06.18
Es gibt keinen schlechteren Start für ein Studium an der Universität Panthéon-Assas in Paris. Frankreichs rechtswissenschaftliche Kader werden hier geschmiedet. Aber an der reibungslosen Abwicklung von Métro-Verbindungen zur Banlieue schmiedet sie nicht mit. Neïla, Erstsemesterin im gemütlich-sportiven Outfit, kommt also zu spät. „So What?“, mag der oder die Hörsaal-Erfahrene fragen. Doch Professor Mazard, Anzugträger mit Freude am verbalen Ausfall, pfeift auf schulterzuckende Toleranz. Vor versammeltem Auditorium nimmt er Mademoiselle Maß und läßt kein Ressentiment aus: nicht ihren aus dem Maghreb stammenden Namen, nicht ihre „typische“ Bummelei und schon gar nicht ihre „nachlässige“ Kleidung. Mazards Entlassung liegt in der Luft …
So führt Yvan Attal, meistens Schauspieler und manchmal Regisseur, seine tragenden Figuren ein: ein gehörnt voreinander aufgebauter Gegensatz aus eingelebt und eingewandert, aus abgeschliffen und noch „unbearbeitet“, aus einem gesetzten Herrn und einer jungen Frau, die sich ihren gesellschaftlichen Sitzplatz nicht vom Kellner zuweisen lassen mag. Was Attal dann damit macht, ist allerdings konventioneller, als der angriffslustige Auftakt verspricht. Das Unpaar wird vor den Karren der Universität gespannt und in einen Debattierwettbewerb geschickt. Wie man mit Worten brilliert, und zwar egal, ob man sie glaubt, lernt Neïla ab sofort im Einzelunterricht beim Meister. Provokation, Polemik, Dysphemismus – Mazard beherrscht alle rhetorischen Figuren. Manchmal nennt er sie „Fatima“ und sie ihn „Arschloch“. Doch das Vorhaben schweißt zusammen.
In diesem Film steckt eine kleine Bibliothek: Schopenhauer, Shakespeare, Cicero. Er kommt einigermaßen pünktlich zu den in Frankreich wie überall geführten Diskussionen um Political Correctness, Rechthaberei und durch Herkunft gebremste Aufstiegschancen. Und er hat das Herz am rechten, korrekter: richtigen Fleck, weil er sich, freilich eher nebenbei, um ein freundlicheres als das gewohnte Bild der Banlieue und ihrer Bewohner bemüht. Die rhetorischen Regeln, nach denen Attal aber eigentlich arbeitet, kennt man aus all den Mentor-Zögling-Variationen von MY FAIR LADY bis GOOD WILL HUNTING. Das Muster ist gefällig, auch ein wenig abgetragen – und wird den Muff aus väterlichem Herabbeugen und dankbarem Aufschauen leider auch hier nicht richtig los.
[ Sylvia Görke ]