F 2025, 162 min
Verleih: X Verleih

Genre: Drama, Familiensaga, Mystery

Darsteller: Lars Eidinger, Nicolette Krebitz, Tala al-Deen

Regie: Tom Tykwer

Kinostart: 20.03.25

Das Licht

Alles überall irgendwie und so

Tom Tykwer ist zurück auf der großen Leinwand. Nach langer TV-Arbeit hat er wieder einen Kinofilm gedreht und noch dazu einen, den man Nachwuchstalenten ohne Tykwers Status in der deutschen Filmindustrie vermutlich kopfschüttelnd um die Ohren schmeißen würde.

Er sucht die Größe, er ist ambitioniert, auf jeden Fall. Wann sieht man schon, daß ein Familiendrama so formverspielt ins Phantastische gleitet und so ungebremst nach irren Bildern sucht, die auch vor animierten Sequenzen, Geisterbeschwörungen, schwebenden Tanzeinlagen und Musical-Nummern nicht haltmachen? Wobei, da gab es doch diesen OSCAR-Gewinner! EVERYTHING EVERYWHERE ALL AT ONCE hieß er. Und man kann DAS LICHT gern als Pendant dazu lesen, ob beabsichtigt oder nicht, denn auch dieser Film zaubert sich durch Tagträume und Phantasien alternativer Ichs, einstürzender Lebensentwürfe, durch audiovisuelle Exzentrik und stilistische Spielereien. Und beide Filme irritieren gleichermaßen damit, daß sie sich an einer Zeit- und Systemdiagnose versuchen, die hinterher auf den Schultern des familiären Kleinklein abgeladen wird. Dessen Rettung und soziale Neukonstruktion hält man dem Publikum plötzlich als besänftigende Lösung für Fundamentalstes vor Augen.

DAS LICHT führt hierbei in das Chaos kosmopolitischer und eher unsympathischer Berliner, die zwischen Weltrettung, Scheinheiligkeit, White-Savior-Komplexen und Privilegien versuchen, die eigene Patchwork-Dysfunktionalität und Midlife-Crisis zu therapieren. Zur Hilfe eilt eine syrische Haushaltshilfe, die in allen Familienmitgliedern Ungeahntes freisetzt. Man kommt sich wieder näher oder lernt zumindest, sich einmal so richtig über das frustrierte Familienleben auszukotzen. Wenn Nicolette Krebitz als Mutter beim Küchenstreit mit ihrer Tochter loslegt, fliegen die Fetzen jedenfalls ohne falsche Scheu. Und dann packt jene Syrerin auch noch eine wundersame Flackerlampe aus, die beim Halluzinieren und der Selbstreflexion helfen soll.

Natürlich wird das ebenso als Kino-Metapher aufgezogen, die Schock, Heilung, Transzendenz und schließlich die große, einende Erfahrung versprechen soll. Aber auch das ist möglich im Kino und soll so sein: Dieses Lichtspiel bleibt manchmal reinstes Blendwerk, und so verhält es sich auch mit diesem bisweilen aufgeblasenen und wiederholt an der Grenze zur Selbstparodie taumelnden Film-Experiment, das erst im wundersam gespenstischen Finale so richtig Eindruck schindet. Davor schüttelt Tykwer kräftig allerlei Berliner Büro-Krisen, Lifestyle-Schmerz und Reizwortdebatten vom Gendern bis zur Klimakrise durcheinander, würzt sie mit einem teils zweifellos verblüffenden Trickfeuerwerk, schüttet alles auf die Leinwand und hofft, daß dabei ein eindrucksvolles Großwerk herauskommt.

In Wahrheit aber ist es vielleicht von der Daily Soap über die Aufs und Abs und die vermeintlich wichtigen Dinge im Leben und von allzu bemühten Zeitgeistwerken wie ALTER WEISSER MANN gar nicht so weit entfernt. Wenngleich Tykwer final immer noch, das sollte man ihm zweifelsfrei lassen, den Hang zur Irritation und Unversöhnlichkeit zu schätzen scheint, wenn dort im lähmenden Blitzlicht dieser eigenartigen Lampe Welten und Perspektiven verschmelzen, Abhängigkeiten und Sehnsüchte zugleich kontrastiert und zusammengeführt werden. Die Erlösung ist vom Horror kaum zu unterscheiden.

[ Janick Nolting ]