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Die Nordsee – Unser Meer

Als die Bilder leider sprechen lernten

Erinnert sich jemand? 2012 verkündete DEUTSCHLAND VON OBEN: „Die Nordsee ist eine seltsame See!“ Und nun soll sie plötzlich „unser“ Meer sein, total innig verbunden quasi. Ungefähr wie bei einem peinlichen Verwandten, dessen Öffentlichkeitstauglichkeit unbewiesen ist, den man jedoch irgendwie mag und freundlich auf die Schulter klopft. Was dieser Doku recht gut entspricht.

Wir reisen also an der Nordsee lang, streifen Landschafts-Highlights, beobachten in Zeitlupe badendes Volk. Und lernen kennen, was da kreucht und fleucht. Allerlei Getier, sich eben noch bescheiden Nahrungserwerb, Fortpflanzung oder Überlebenstrieb hingebend, wird genrekonform vor die Kamera gescheucht, parallel kommentiert Axel Prahl unter Vereinigung nordischer Knarzigkeit und trivialen Schenkelgeklopfes aus dem Off vornehmlich zu Sehendes, leicht Ahnbares beziehungsweise arg skurril Abgeleitetes. Etwa, daß paarungsgierige Kampfläufer zum Laufen und Kämpfen neigen, Schwertwale Heringe nicht im Schwarm, sondern gesittet einen nach dem anderen vertilgen, junge Löffler über weniger platte Schnäbel verfügen als die häßlichen Eltern, oder Papageitaucher Bruthöhlen buddeln wie Hobbits – ja, Mensch!

Primär liegt solche Inormationsübermittlungsanämie am strengen Masse-statt-Klasse-Gedanken. Will heißen: Nirgends unnötig verweilen, zackig jetzt, nicht trödeln, schließlich wartet ums Eck bereits das nächste Viech. Wer keine Ahnung hatte, wie es ist, mit einem ningeligen Kind im Zoo von Gehege A zu B zurück bis C zu hetzen, kriegt so eine treffliche Vorstellung. Wobei der Tierpark bekanntlich auf omnipräsente, zwischen süßlich, dramatisch, von ätherischen Gesängen gefüttert sowie französisch angehaucht changierende Musikberieselung verzichtet, was individuell entweder Erleichterung oder Bedauern weckt.

Okay, das schaut ungeachtet obig durchschimmernder Kritik zweifellos schön aus und sich locker weg, kann außerdem gewisse Knuffigkeitsvorsprünge kaum verleugnen (sicher, Geschöpfe à la Seeteufel betreffen letztere bloß eingeschränkt, doch wissen zum Beispiel kleine Moschusochsen vermutlich selbst um ihre fotogene Erscheinung). Ergo, zwecks Finalisierung des anfangs begonnenen Gedankens: Sollte, darf, müßte man alles wegen der superben Optik mögen und warmen Blickes goutieren; die echte Öffentlichkeitstauglichkeit, hier aus Mehrwertsicht, bleibt indes fraglich.

D 2002-2013, 94 min
FSK 0
Verleih: Polyband

Genre: Dokumentation, Natur

Stab:
Regie: Thoralf Grospitz, Jens Westphalen, Florian Graner, Robert Morgenstern u.a.
Stimmen: Axel Prahl

Kinostart: 18.04.13

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...