Originaltitel: THE UNLIKELY PILGRIMAGE OF HAROLD FRY

GB 2023, 108 min
FSK 12
Verleih: Constantin

Genre: Drama, Literaturverfilmung

Darsteller: Jim Broadbent, Penelope Wilton, Monika Gossmann

Regie: Hettie Macdonald

Kinostart: 26.10.23

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Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry

Von Traurigkeit, wiedergefundener Liebe und Holperpfaden

Auf die Information hin, seine frühere Bekannte Queenie läge im Sterben, schreibt Harold Fry ihr einen letzten Brief. Geht los zum Postamt. Trifft eine Tankstellenkassiererin, die ihm vom heilenden Glauben erzählt. Setzt darauf seinen Weg ungeplant fort, schultert 1000 Kilometer, eilt in Rettungsabsicht zu Queenie. Erfährt unterwegs kleine Freundlichkeiten und große Hilfe. Hält zu Gattin Maureen per Telefonzelle Kontakt, während ihr Unverständnis sich auch in frustrierten Gemeinheiten entäußert. Wird zum Medienstar.

Jim Broadbent, wegen akuter Unauffälligkeit an einigen roten Teppichen dieser Filmwelt sicher schon als zum Servicepersonal gehörig vermutet, lebt jenen Harold – seine Traurigkeit, die prägenden Verluste, denen lähmende Mutlosigkeit nichts entgegensetzen konnte. Und Penelope Wilton, Königin der manchmal handlungstragenden, bisweilen lediglich unterstützenden, immer Stabilität gebenden Nebenrolle, verkörpert Maureen – eine nicht wirklich würdevoll ergraute Frau, deren altersmüder Leib ihren verzehrend feurigen Geist beherbergt. Ein Paar, dessen stagnierende Kommunikation erst über eine Tragödie verletzend heiß aufflammte, um anschließend stetig stiller total wegzusterben. Sie blieben beieinander, wußten indes vielleicht kaum zu sagen, welche der vielen Ängste letztlich dafür den Ausschlag gab. Leiten nun den in enger Selbstumkreisung verschütteten, doch eben nie zu späten (Wieder-)Findungsprozeß ein, wenn sie ihn mit unvergeßlichem Blick schüchtern begrüßt: „Hello Stranger …“

Wie schade, daß der Film nicht solcher mimischen Macht vertraut, sondern – parallel zu romanvorlagenbedingten Abschweifungen beispielsweise zur Mitläufermentalität wenig auf die Reihe kriegender armer Würstchen – dramatisch übervisualisiert. Da muß die Kamera stur auf das halten, was Harold einst sah, obwohl seine pure Reaktion genug Interpretationsraum lieferte. Aber ärger noch die ständige Symbolik: Es fehlt angesichts durch dunkles Gewölk brechender Lichtstrahlen eigentlich nur die Stimme des rauschebärtigen Himmelsherrn, situationsabhängig paradiesisch gütig, göttlich mahnend oder höllisch erzürnt. Bilder, die man praktisch hört. Dabei reicht bereits das Musikschmalz völlig aus.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...