Brooklyn ist das dicke B. der US-Kreativnomaden. Ein Anlaufpunkt für urbane Glückssucher mit Hang zu subkulturellem Flair. Daß dieses Alleinstellungsmerkmal wie in allen Brennpunkten der Gentrifizierung die Mieten explodieren läßt, sorgt für das bittersüße Grundbrummen in Noah Baumbachs Film. Denn obwohl der sich eigentlich auf seine Titelfigur konzentrieren sollte, der hier immerhin ein Porträt gemalt wird, ist kaum etwas so präsent wie das Prekäre, die drohende nächste Zahlungsaufforderung.
Frances gehört zu dem Heer der Landeier, die sich vermutlich einmal nichts Aufregenderes vorstellen konnten, als das elterliche Eigenheim in der Provinz zu verlassen, um sich dann in Brooklyn verlassen zu fühlen – freilich auf die coolste aller möglichen Arten. Sie geht auf die 30 zu, hat Tanz studiert und übt nun das Grand-Plié mit kleinen Ballerinen. Bis das mit dem richtigen Engagement klappt. Mal sehen, das wird schon. Wenn sie nicht gerade auf einer Party die Zeit vertrinkt, kuschelt sie sich abends zu ihrer besten Freundin und Mitbewohnerin Sophie ins Bett. Sophie ist Familie, Vertraute in mädchenhaften Vulgaritäten, Hüterin von Ordnung und Sauberkeit. Aber als Frances einmal kurz nicht hingeschaut hat, muß Sophie erwachsen geworden sein. Sie zieht zu ihrem Freund, arbeitet an geordneten Verhältnissen. Und Frances? Die mietet sich bei zwei Typen ein, die genau wie sie darauf warten, daß das Leben endlich beginnt.
Fast manisch wird hier von Wohnungen gesprochen und eigentlich ein Zuhause gemeint. Tatsächlich gibt es wohl nicht viele Komödien, die unter Zerstreutheit und Slapstick im Grunde so traurig sind. Vor allem diese mittelscharfe melancholische Brise verleitete Kritiker zu schmeichelhaften Vergleichen, von denen Woody Allens MANHATTAN vielleicht der plausibelste ist – lauter Neurosen in einem elaborierten ästhetischen Konzept. Und doch darf man sich reiben an der allzu kalkulierten Geste des Improvisierten, an der etwas versnobten, aufgesetzten Schnoddrigkeit, mit der Baumbach das Lebensgefühl „Krise“ zum lässigen Designobjekt stilisiert, das wie zufällig zum Gropiusstuhl im Wintergarten paßt.
Das Filmen in Schwarzweiß aber bleibt eine Veredelungstechnik, die sich in ihrer Wirkung kaum abzunutzen scheint. Selbst wenn man hier neugierig wäre, in welche Farben sich Frances, das irre Huhn, hätte hüllen mögen.
Originaltitel: FRANCES HA
USA 2012, 86 min
FSK 6
Verleih: MFA
Genre: Tragikomödie
Darsteller: Greta Gerwig, Mickey Sumner, Michael Zegen, Adam Driver, Christine Gerwig, Gordon Gerwig
Regie: Noah Baumbach
Kinostart: 01.08.13
[ Sylvia Görke ]