Man muß dem Erfinder des deutschen Titelanhangs „Eßt uns an einem anderen Tag“ gratulieren. Nun nicht unbedingt für den Wurmfortsatz als solchen, sondern die subtil versteckte Botschaft, schließlich wird mit einer kleinen Änderung ein weitläufig bekannter Film draus – und die Richtung stimmt außerdem. Ja, klassisches Kinderkino war gestern, heute darf es so richtig krachen! Aber langsam und von vorn.
Truthahn Reggie ging schon immer als Außenseiter durch, sah er doch noch etwas schräger aus als seine sowieso visuell benachteiligten Artgenossen. Doch das verlachte Tier hat Glück, wird nach altem US-Brauch kurz vor Thanksgiving begnadigt und beschließt unter Einfluß eines Freiheitskämpfers, daß keiner seiner Freunde jemals wieder auf dem Teller landen soll. Eine Zeitmaschine beamt das ungleiche Duo zurück ins 17. Jahrhundert. Dort bereiten die Pilger gerade das erste Thanksgiving vor, während die Truthähne sich im Untergrund verstecken.
So weit, so relativ witzig. Ohne Pathos oder Schmalz, allerdings auch auf einen echten Mittelpunkt verzichtend jagt das Geschehen um den filmischen Block, wobei gewisse Hektik zwangsläufig nicht ausbleiben kann. Aber ach, es soll schlimmer kommen. Zunächst verliebt sich Reggie in die heiße Henne Jenny, sozusagen eine geflügelte Amazone, deren Running Gag ein unkontrolliertes Auge stellt. Spätestens beim gefühlten 15. Aussetzer geht das bloß auf den Nerv, folgt dem Humor, welcher sich zunehmend darauf beschränkt, gegen irgendwas oder irgendwen zu donnern. Mensch, was haben wir gelacht ...
Indes ist das Ende der Fahnenstange weiterhin unerreicht, schließlich gilt es, nun den besonders wüsten Themenmix auszupacken, vom Weltall-Ausflug über Mystery-Elemente bis hin zum gleich mehrfach in der Zeitschleife existenten Reggie ist alles dabei – wenn nicht gerade mal wieder der Zeigefinger ganz besonders bedrohlich wackelt, denn ernste Themen wie Massentierhaltung werden parallel kurz abgehandelt. Als Sahnehäubchen taucht schließlich der wahnsinnige Kopfgeldjäger Dynamite Joe auf, um die kollernden Widerständler wortwörtlich ins Fadenkreuz zu nehmen. Märtyrertod eines hochrangigen Vogels inbegriffen.
Apropos: Da stirbt der Unterhaltungswert fast schon, bevor er sich richtig entfalten konnte. Witzlos wird hier der Truthahn gerettet – und nächsten November trotzdem wieder neben Süßkartoffeln liegen.
Originaltitel: FREE BIRDS
USA 2013, 91 min
FSK 6
Verleih: Senator
Genre: Computeranimation, Kinderfilm, Action
Stab:
Regie: Jimmy Hayward
Stimmen: Rick Kavanian, Christian Tramitz, Nora Tschirner,
Kinostart: 06.02.14
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...