Originaltitel: ZIELONA GRANICA
Polen/F/Tschechische Republik/Belgien 2023, 152 min
FSK 12
Verleih: Piffl
Genre: Drama
Darsteller: Jalal Altawil, Maja Ostaszewska; Behi Djanati Atai
Regie: Agnieszka Holland
Kinostart: 01.02.24
Die Formulierung „Humanitäre Katastrophe“ hört man inzwischen derart oft, daß man kaum noch hinhört, wenn man sie hört. Es gibt sie schier ohne Unterlaß, überall auf der Welt. An den Grenzen Europas beispielsweise, wo besagte Katastrophe gern euphemistisch als „Flüchtlingskrise“ spezifiziert in Erscheinung tritt.
Welche tatsächlich humanitäre Katastrophe diese „Flüchtlingskrise“ ist und was für Tragödien mit ihr einhergehen, zeigt jetzt die polnische Regisseurin Agnieszka Holland in GREEN BORDER. Die „grüne Grenze“ ihres Films ist die zwischen Belarus und Polen im Jahr 2021. Angelockt auch durch die perfiden Versprechungen des weißrussischen Diktators Lukaschenko, über die Grenze seines Landes schnell nach Polen, also in die EU, zu gelangen, treffen hier verschiedene Migranten aufeinander. Eine Familie aus Syrien und eine ältere Afghanin rückt GREEN BORDER dabei anfänglich in den Fokus. Doch expandiert das kleine Gruppenporträt bald zum großen Fresko der sich kreuzenden Handlungsstränge und Figuren. Da ist der junge polnische Grenzsoldat, den zunehmend das Gewissen quält. Oder die Psychologin, die der Welt eigentlich in die Einsamkeit dieser urwüchsigen Waldlandschaft entfliehen wollte und just hier mit der Welt aufs Härteste konfrontiert wird. Dazu agieren Flüchtlingshelfer, beseelt vom Idealismus, gewieft beim Austricksen der Grenzpolizisten und doch immer auch bedroht von der Resignation. Denn immer wieder – natürlich – sind da die Flüchtlinge. Mehr und mehr. Und zunehmend ihres wenigen Geldes, der Hoffnung und Würde beraubt. Und manchmal dann auch ihres Lebens. Tragödie ist steigerungsfähig.
GREEN BORDER ist ein Film aufklärerischer Empörung, der es aber versteht, seine Emotionen im reinen Beobachten und Aufzeigen, im Erzählen also, zu bändigen. Meistens jedenfalls. Denn ganz konnte man didaktischen Offenbarungseiden dann doch nicht widerstehen. Da muß dann etwa mal eine gutbürgerliche polnische Familie am Abendbrottisch mit jungen Afrikanern das Brot brechen. Eine doch recht salbungsvolle Szene, die der Film gleichsam als Trost- und Hoffnungsnahrung verabreicht.
Aber möglicherweise braucht es das sogar. Denn was GREEN BORDER dann ja vor allem und in notwendiger Rigorosität begreifen macht, ist, wie trost- und hoffnungslos diese „Flüchtlingskrise“ in gravierendem Maße auch eine Krise unserer Mitmenschlichkeit ist.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.