Originaltitel: L’ODYSSÉE

F 2016, 122 min
FSK 6
Verleih: DCM

Genre: Biographie, Drama

Darsteller: Lambert Wilson, Pierre Niney, Audrey Tautou, Benjamin Lavernhe

Regie: Jerôme Salle

Kinostart: 08.12.16

2 Bewertungen

Jacques

Die Gesichter eines Pioniers

Es ist fast erstaunlich, daß es so lange gedauert hat, bis sich jemand fürs Kino des französischen Nationalheiligtums JYC annahm! Der Mann hinter dem Kürzel, Jacques-Yves Cousteau, ist eine Legende und war über Jahrzehnte das gute Gewissen der Franzosen. Einer, der von den Nachkriegsstrapazen auf der Erde ablenkte, weil er die Menschen in die Tiefe zog, sprichwörtlich! Unterwasserpionier, Taucher, Forscher, Entwickler, Biologe. Ernsthaft und dennoch mit Witz, wissenschaftlich und trotzdem nicht abgehoben – so liebten ihn seine Landsleute, zuerst über Kinofilme, dann zahlreiche Publikationen und später auch im Fernsehen. Bilder, die wir heute vielleicht mit einem Zucken als „Kenn ich schon!“ abtun – er war der Erste, der sie lieferte. Dabei ging es kaum um Größe und Gefahrenpotential, etwa mit reißerischen Aufnahmen von Zähne zeigenden Weißen Haien. Cousteau interessierte sich für das Meer mit all seinen Bewohnern, und so lassen sich Bilder wie die von rasant schnellen Jakobsmuscheln auf der Flucht vor Seesternen kaum vergessen!

Jérôme Salle hat sich nun fürs Kino an den übergroßen Cousteau gewagt – und liefert großes Kino. Wie es sich gehört, möchte man ergänzen, denn Werk und Leben Cousteaus sind nicht der Stoff fürs Kleckern. Salle zeigt JYC als den, der er wohl auch war: Egomane, Narziß, Klüngeler, Schürzenjäger. Und geht zurück in die Zeit, als Ende der 40er Jahre aus dem Kriegsmarinisten der Meeresforscher wurde, der ein entspanntes Leben mit Mittelmeerhäuschen aufgab, um an Bord der „Calypso“ mit seiner Frau Simone zu ersten großen Expeditionen aufzubrechen. Und schon hier zeigt sich eine Härte, eine Unerbittlichkeit, die Salle nicht nutzt, um JYC vom Sockel zu stoßen, sondern um zu zeigen, daß er nicht nur der telegene Anpacker war: Die Söhne kommen ins Internat, Tränen werden schon wieder trocknen. Diese Bilder skizzieren ein Kernelement im Leben Cousteaus – die innige, schwierige und trotz aller menschlichen Differenzen und später auch wissenschaftlichen Ansichten über Forschungsmethodik und Meeresverschmutzung tiefe Beziehung zu seinem Sohn Philippe. Und darin auch wie nebenher die zum Erstgeborenen Jean-Michel, dem er weitaus weniger Aufmerksamkeit, auch Liebe, zukommen ließ. Cousteau wird gezeigt, als der er sich auch gefiel – Entdecker einer Welt voller Verheißungen. Dazu gehören auch Sachen, die an Land passieren: JYC wurde zu einem frühen Popstar mit Gekreische und allem, was dazugehört. Affären zum Beispiel, von denen Simone durchaus wußte, die sie irgendwie akzeptierte, mit Alkohol wegdrückte. Simone war es, die den Laden, die Mannschaft zusammenhielt. Die Zwei träumten den gleichen Traum, nur einer von beiden wollte dafür auch beklatscht werden. Auch davon erzählt Salle eindrücklich mit wenigen, aber markigen Pinselstrichen.

Wobei man jetzt von Audrey Tautou schreiben muß: Denn wenn JACQUES durch die beiden Hauptdarsteller Lambert Wilson und Pierre Niney natürlich auch ein Film der schönen Männer ist, fasziniert es doch, wie sich Tautou nach so vielen Jahren endlich von DIE FABELHAFTE WELT DER AMÉLIE freischwimmt. Tautou spielt ihre Simone facettenreich, fraulich bis abgewrackt, entflammt und enttäuscht.

JACQUES ist ehrlich, bisweilen schonungslos, und gerade dadurch gelingt das differenzierte, unverklärte Bild eines echten Pioniers. Darüber hinaus ist JACQUES ein zärtlicher Film geworden: Wenn Cousteau Simone in sehr schwierigen Phasen gesteht, daß er sie immer lieben wird, wenn er mit Philippe im Seegras liegt, dann zeigt dies einen Cousteau, den es auch gegeben haben muß.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.