Noch keine Bewertung

Katzenball

Schweizer Lesbengeschichte im Kaleidoskop

In den zwanziger Jahren wurden Frauen benachteiligt, nicht aber Lesben. Johanna Berends, 93 Jahre alt, erklärt in KATZENBALL: "Die Lesben waren nicht diskriminiert, denn sie wurden gar nicht ernst genommen. Wie Königin Victoria sagte: 'Das existiert nicht'."

So wurden die frühe Zuneigung zu Frauen und die Träume vom gleichen Geschlecht in ihrem Umfeld noch als Jux abgetan. Inzwischen hat Johanna Berends zwei Ehen geführt, sie ist Mutter geworden und hat ihr Paradies gefunden, in der Beziehung zu einer anderen Frau. Samira Zingaro dagegen hat ihr Coming Out bereits als 25jährige hinter sich. In der modernen Schweiz ist ihr Leben als Lesbe normal, eingebettet in die urbane Gesellschaft, vor allem öffentlich möglich und akzeptiert. Samira muß sich weder verstecken, noch Verfolgung fürchten, sie muß sich nicht in geheimen Clubs treffen oder auf illegale Netzwerke zurückgreifen. Von ihr wird weder erwartet, daß sie Kinder in die Welt setzt, noch daß sie auf die Straße geht, um etwa ihr Wahlrecht als Frau einzufordern.

Der Film aber berichtet auch von alledem: Johanna Berends steht am Anfang, Samira Zingaro am Ende dieser Geschichte von lesbischer Liebe in der Schweiz. Über einen Zeitraum von siebzig Jahren nimmt Regisseurin Veronika Minder hier die Perspektive einer Minderheit ein. Ihre Protagonistinnen, hinzu kommen die Fotografin Liva Tresch, die als Chronistin der Schweizer schwul-lesbischen Szene gilt, die Modedesignerin Ursula Rodel und die Feministin Heidi Oberli, stehen für unterschiedliche Erfahrungen der einzelnen Generationen. Der Film ist eine auf Vollständigkeit und Unterhaltung, nicht auf Chronologie bedachte Collage, die auch Schweizer Grenzen überschreitet. So ergänzt Minder die Interviews wo nötig mit historischen Daten, arbeitet mit reichlich Dokumentarmaterial wie Fotos, Wochenschauen und TV-Sendungen sowie mit Ausschnitten bekannter Spielfilme. Die Interviewaussagen mixt und schneidet sie gegeneinander, wodurch der Film die Qualität eines spannenden Kaleidoskops erlangt.

Ein Bonus sind die durchweg interessanten und sehr unterschiedlichen Charaktere der Frauen und ihre Offenheit gegenüber der Kamera, was Minder an keiner Stelle ausnutzt. Gerade indem sie geschickt Distanz hält, gelingt es ihr, große Nähe herzustellen.

Originaltitel: FÉLINE MASQUERADE

CH 2005, 87 min
Verleih: Academy Films

Genre: Dokumentation, Schwul-Lesbisch

Darsteller: Johanna Berends, Ursula Rodel, Samira Zingaro, Liva Tresch, Heidi Oberli

Regie: Veronika Minder

Kinostart: 20.04.06

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.