"Mein Mann mag keine Abenteuer." Gleich am Anfang fällt einer der Schlüsselsätze, wenn Hannelore Elsner als Trudi erfährt, daß ihr Mann Rudi unheilbar krank ist, und der Arzt ihr nahe legt, noch einmal mit ihm zu verreisen. Sie behält es für sich, denn ihr Hausvater-Gatte, der sich allabendlich von ihr in die Strickjacke helfen läßt, würde die bayrische Provinz auch angesichts des Todes nicht verlassen. So lange er nur sie hat. Doch das Abenteuer seines Lebens beginnt trotzdem.
Zunächst heißt es "nur" Berlin, wo die Kinder ihr eigenes Leben führen und ihm als gestreßte Fremde gegenüber treten; wo er wütend auf komplizierte Fahrkartenautomaten einschimpft und mißmutig in einem Off-Theater-Foyer auf Trudi wartet, während ein Butoh-Tänzer sie zu Tränen rührt. Und dann ist plötzlich Trudi tot, nicht er, und er begreift zu spät, daß er sie eingesperrt hat. Um damit klar zu kommen, sucht er ihren Sehnsuchtsort auf: Japan, besucht in Tokio sein drittes "Kind", seinen Mustersohn, der aber auch keine Zeit und keine Nerven für ihn hat. Und doch, in der Fremde verliert und findet er sich endgültig.
Doris Dörrie erzählt davon, wie Rudi am Lebensende noch einmal laufen lernt. Und Elmar Wepper ist für diesen biederen Mann, dessen Geist sich durch die Begegnung mit einer 18-jährigen obdachlosen Butoh-Tänzerin unter Kirschblüten öffnet, in der Tat die passende Besetzung. Da ist viel Platz für Rührung, wenn er schließlich selbst das Frauengewand anlegt und vor den strahlenden Fujiyama tritt. Mit vielen Vorschußlorbeeren startete der Film auch in den Berlinale-Wettbewerb. Aber wirklich berechtigt?
Zärtlichkeit und Langsamkeit und zuweilen auch gelungene Situationskomik zeichnen Dörries Film aus, doch sie erzählt leider so wenig mit der Kamera. Fast hölzern wirkt der Teil in Berlin, in dem sie sich an der Familie abarbeitet. Und auch später ist da kaum ein Bild, das eine weitere Ebene eröffnen würde, einen doppelten Boden oder Subtext. Es ist alles da, an der Oberfläche.
Was wirklich haften bleibt, ist ein ganz kleines unscheinbares Bild. Rudi hat, um sich im Tokioter Dschungel nicht zu verlaufen, ein Stofftaschentuch als Wegweiser an einen Pfahl gebunden. Das ist am Ende immer noch da.
D 2007, 122 min
Verleih: Majestic
Genre: Drama, Liebe
Darsteller: Elmar Wepper, Hannelore Elsner, Aya Irizuki, Nadja Uhl
Regie: Doris Dörrie
Kinostart: 20.03.08
[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...