Originaltitel: QUEEN OF THE DESERT
USA/Marokko 2015, 128 min
FSK 0
Verleih: Prokino
Genre: Drama, Biographie
Darsteller: Nicole Kidman, Robert Pattinson, James Franco
Regie: Werner Herzog
Kinostart: 03.09.15
Werner Herzog – der war beim „Neuen deutschen Film“ der Visionär vom Dienst. Ein Romantiker, Besessener, Abenteurer, Forscher. Irgendwie ein Relikt des 19. Jahrhunderts, gestrandet im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit. Daß er dabei (mit Berserker Kinski) im tropischen Urwald die drei aufregendsten und bildgewaltigsten Filme des Nachkriegskinos drehte, verweist nicht zuletzt auf ein Paradox: Zivilisationskritik und auch Zivilisationsflucht mit Hilfe einer der schönsten Errungenschaften dieser Zivilisation – dem Kino. Es ist auch das, was an Delirien à la AGUIRRE, FITZCARRALDO oder COBRA VERDE bis heute faszinierend wirkt. Und man fragt sich, ob man nicht vor allem eingedenk dieser Arbeiten jetzt so gleichgültig in Herzogs KÖNIGIN DER WÜSTE sitzt. Dabei bot der Stoff doch genug Möglichkeiten, den alten Furor, wenn auch nicht gleich derart exzessiv wie einst, so aber noch berauschend lodern zu lassen.
Erzählt wird die Geschichte der Engländerin Gertrude Bell (1868-1926). Die war Abenteurerin, Forscherin und im tiefsten Herzen wohl auch Romantikerin. Eine Frau, die ausbrach aus der Enge ihrer Zivilisation, der strangulierenden Saturiertheit ihrer Klasse. Hinaus in die Wüstenweiten Arabiens, wo sie sich zur Kennerin nahöstlicher Kultur und zur politischen Analystin der Region entwickelte und von ansässigen Stammesfürsten bald respektvoll mit dem Beinamen „Königin der Wüste“ tituliert wurde.
Herzog nun macht daraus tatsächlich einen Film, bei dem es einen keine Sekunde wunderte, käme plötzlich Kara Ben Nemsi in kühner Geste aus einem Wadi galoppiert, um Gertrude seine Liebe zu gestehen. Sie ist ja auch hinreißend! Und daß die Strapazen langer, entbehrungsreicher, gefährlicher Reisen ihrem Teint keinen Abbruch tun, muß man einfach als Symptom innerer Schönheit und Stärke lesen. Paßt schon.
Im Kern ist KÖNIGIN DER WÜSTE letztlich kaum mehr als eine Karl May- und Hedwig Courths-Mahler-Melange. Exotische Wüstensöhne mit Glutaugen und romantische Briten mit melancholischem Blick schwimmen darin umher wie im Martini drapierte schwarze und grüne Oliven. Ein leicht angestaubtes Readers-Digest-Reiseabenteuer, ohne psychologische Tiefen oder visionäre Höhen, dafür recht gemütlich. Daß die besten Bilder des Films die von verschneiten, englischen Landsitzen sind, ist bezeichnend. Zivilisation ist was Schönes.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.