Originaltitel: LA CHIMERA

I/F/CH 2023, 133 min
FSK 12
Verleih: Piffl

Genre: Drama, Thriller, Mystery

Darsteller: Josh O’Connor, Isabella Rossellini

Regie: Alice Rohrwacher

Kinostart: 11.04.24

2 Bewertungen

La Chimera

Traumwandeln mit Klumpfuß

Die Italienerin Alice Rohrwacher ist eine der interessantesten Regisseurinnen der Gegenwart. Wer will, kann in ihren Arbeiten den Wiederschein von Pasolini oder Fellini, mithin den der großen (italienischen) Filmtradition, erkennen. Aber zu sagen ist gleichwohl: Rohrwacher ist Rohrwacher.

LA CHIMERA heißt ihr neues Werk. Es spielt Anfang der 80er und erzählt vom Engländer Arthur, der, nach einem Gefängnisaufenthalt und seelisch zerrüttet, in eine ärmliche italienische Stadt zurückkehrt, die schon länger seine Wahlheimat ist. Und die wie ein Labyrinth wirkt, errichtet auf antiken Fundamenten, auf etruskischen Grabkammern, die ihrerseits Stadt und Landschaft wie ein geheimes Labyrinth unterhöhlen. Wie in Trance vermag es Arthur, diese Grabkammern aufzuspüren, um sie dann mit einer bunten anarchischen Truppe Kleinkrimineller auszuplündern.

Chimären sind Mischwesen, bizarre Kreuzungen (bei Homer etwa aus Löwe, Drache, Ziege) – und so kreuzt auch LA CHIMERA verschiedene Erzählweisen (Tragödie, Krimi, Sozialstudie), montiert kontrastierende Bildformate (16mm-Aufnahmen inklusive) und Tonlagen zwischen Neorealismus und Mythenspiel ineinander. LA CHIMERA ist somit selbst eine Chimäre – und vielleicht beschreibt das Rohrwachers Kino sogar insgesamt recht treffend.

Orpheus, Eurydike, Mysterien und Ariadnefäden der Liebe und Gesellschaftsutopie: All das ist drin in LA CHIMERA, all das macht den Reiz aus. Und in alldem – Hand aufs Herz, Augen auf – verheddert sich der (zu lange) Film dann auch zugleich. Bis hin zu gesellschaftskritischen Plattitüden, die klumpfußplump an dieser doch so traumwandlerischen Kino-Chimäre haften.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.