Über die Jahre ist er ein wenig müde geworden. Leon, ein Ermittler mit Furchen im Gesicht und Schatten auf der Seele. Eine Frau wird vermißt. Leon bekommt den Fall.
Dies allein genügt Regisseur Ray Lawrence, um ein wild wucherndes Gestrüpp, ein Geflecht aus Liebe, Betrug und Tod zu einer tour de surpris zu weben, der Leon als Spielball dient. Der Weg zur Aufklärung erstreckt sich über vier Paare, eines bilden Leon und seine Frau selbst. Bei einem Tango-Kurs tauschen der Ermittler und eine Bekannte seiner Frau scheue Blicke, später teilen sie die Laken, hinter dem Rücken der Gattin. Mit diesem Betrug wird eine Lawine voller Scham, Wut und Kränkung losgetreten, die ihre Auswirkungen auf das Schicksal aller Beteiligten hat. Mehr darf einfach nicht verraten werden, denn die Verkettung der anderen Paare miteinander, die schlaue Struktur, die zahlreichen Erzähllabyrinthe, die sich beim Betrachten dieses ungewöhnlichen Werkes auftun, und die brillant gezeichneten Figuren, deren Reaktionen ebenfalls stets ungeahnte Türen öffnen, sind das Geheimrezept dieses außerordentlich klugen Films. Sehr selten konnte man im Kino miterleben, wie sich ein einziger, noch so winziger Schritt als emotionale Sackgasse entpuppt. Und das bei erwachsenen Menschen, wo man doch davon träumt, immer alles irgendwie lösen zu können. Doch Ray Lawrence erbringt den Beweis, daß man irrt, so lang man lebt.
Aus der sehr starken Besetzung sticht vor allem die wunderbare Barbara Hershey hervor, die man endlich mal wieder in einer großen Rolle erleben darf. Sie spielt die erfolgreiche Psychologin Valerie, deren Gefühle durch verstörende Details aus dem Leben eines Patienten in Frage gestellt werden, was ihr eigenes Gleichgewicht in arge Bedrängnis bringt.
Über diesen Film wird man reden, denn selten genug vermag modernes Kino, chronologisch und dabei spannend zu erzählen, von Menschen zu berichten, die im mittleren Alter Vergangenheit und Gegenwart als Lüge erkennen müssen und dabei trotzdem die Kraft finden, sich dem Kommenden mit Zuversicht zu stellen. Auch dies ein Indiz für die Glanzleistung eines begnadeten und hoch konzentrierten Regisseurs.
Originaltitel: LANTANA
D/Australien 2001, 120 min
Verleih: Alamode
Genre: Drama, Liebe
Darsteller: Barbara Hershey, Anthony LaPaglia, Geoffrey Rush
Regie: Ray Lawrence
Kinostart: 07.11.02
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.