Originaltitel: MR. GAY SYRIA
F/Türkei/D 2017, 88 min
FSK 6
Verleih: Coin Film
Genre: Dokumentation, Polit, Schwul-Lesbisch
Regie: Ayse Toprak
Kinostart: 06.09.18
Journalist Mahmoud Hassino hegt einen politisch motivierten Traum. Er möchte „Mr. Gay Syria“ küren und den Sieger folgend zu weiteren, globalen Schönheitswettbewerben schicken, um so auf die Situation der syrischen LGBT-Community zu fokussieren. Hussein – verheirateter Familienvater – gewinnt den Contest, soll fortan Augen öffnen, Aufmerksamkeit für Verleugnung, Ablehnung und Verfolgung bis hin zum Mord generieren. Ayse Toprak unterstützt es durch ihre Doku. Ohne Zweifel an der Wichtigkeit des Ziels seien hiesig eingeschlagene Pfade zur Erreichung allerdings kritisch betrachtet.
Toprak stellt überraschend wenig Raum für Abhandlungen zu harten Schicksalen bereit – okay, diesbezüglich vergleichsweise hohe Zurückhaltung setzt Akzente in Sachen Lebensmut gegen harschen Widerstand, aufrechtes Gehen trotz Repressalien, Stärke im Verzweifeln. Nur führt ständiges Anreißen ohne Ausformulieren irgendwann in die riskante Leere: hier eine Statistik, dort melancholische Klänge, Husseins kleine Tochter kurz vor die Kamera getragen. Regelrecht unangenehm, wie ein zur Sprache kommendes Fotoprojekt in luftigen Höhen, dessen Wucht bei entsprechender Auseinandersetzung seelische Blessuren bedingen könnte, schlicht abgewürgt wird. Prioritätensetzung mangelhaft.
Ein zweites Problem birgt das propagierte schwule Selbstbild, in dem zwischen Individualität und Schablone schwammige Grenzen wabern – da bestöckelt ein vollbärtiger Mucki-Kerl im natürlich den Schwanz hauteng betonenden Fast-nackt-Outfit die Bühne auf High Heels. Weil sich Homosexuelle ja über sorgfältig gezupftes Haupthaar definieren, ermüden wir angesichts eines minutenlangen Stylings. Das Glitzerkrönchen darf, klar, auch nicht fehlen. Mit Handtaschenweitwurf und Pumps-Wettrennen vor schrill gekreischter Geräuschkulisse wäre der Klischeekarneval komplett.
Schließlich taugt der unsichere Hussein kaum zur Ankerfigur. Und zwar nicht bloß, wenn der erwählte Repräsentant seiner Mutter auf die Frage nach der Bedeutung von „schwul“ lärmig entgegnet, daß er sich ficken lasse – was unbenommener Teil des Ganzen, aber gleichzeitig unnötiger Mir-scheißegal-Schlag in Mamas Gesicht ist. Dazu erneute Dämlichkeit, welche indirekt eine uralte Mär nährt: daß der schwule Mann eigene Wahrnehmung respektive Verwirklichung schwerpunktmäßig aus Zentimetermaßen, Promiskuität und beim Sex athletisch in die Luft geworfenem Gebein ableitet …
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...