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Musik für Hochzeiten und Begräbnisse

Von der Gabe zu weinen

Konzept, Ästhetik, Idee, Strenge, Schlichtheit, Stille, kurz: Ordnung. Das sind die Begriffe, die das Leben des Architekten Peter bestimmt haben. Und das seiner Frau Sara. Selbst noch nach der Scheidung und dem Tod des Kindes lebt sie weiter in dem Beton gewordenen Lebensmodell des Mannes: ein mustergültiges architektonisches Refugium, einsam zwischen Wald und Fjord, wie ein Stück angehaltene Zeit. Doch seit sie einen emotionsreichen Bestseller schrieb, überkommt sie immer öfter eine diffuse Sehnsucht nach dem Chaos. Sie will gestört werden. Da ist ihr der serbische Untermieter im Keller gerade recht. Bogdan geht ein und aus, wann es ihm paßt und sieht Goran Bregovic verteufelt ähnlich - kein Wunder, er ist es auch. Doch bevor er mit seiner Zigeunerkappe anrückt und der lebhafte Klang der Blechinstrumente die Wände erzittern läßt, ist es Peter, der Sara ein letztes Mal aufstört. Mitten in der Nacht. Die Jahre einer Ehe werden aufgerollt, und am Morgen liegt der Ex-Mann tot im Keller: Selbstmord. Doch das ist nur der Anfang des Dramas, an dem noch zwei weitere Frauen aus Peters Leben teilhaben.

Der Stoff hätte das Potential für ein gutes Bühnenstück. Doch auch die Kamera vergibt sich nichts und zaubert die passende Atmosphäre für den Aufeinanderprall der Lebenskonzepte, der sich auch formal umsetzt. Über weite Strecken wird der Film von Kühle und Formstrenge getragen: das lautlose Licht, die Spiele des Wassers, der scheinbare Gleichmut auf dem Gesicht der Frau, die um die Befreiung ihrer Gefühle kämpft. Dezent und untergründig lauert der Ausbruch und findet schließlich statt, in Form von Musik, die aus dem Keller aufsteigt.

Was will man mehr: die Hauptrollen überzeugend besetzt - die Nebenfiguren stehen allerdings etwas blaß zur Seite. Intelligent, stilsicher und auf stille Weise eindringlich.

Originaltitel: MUSIKK FOR BRYLLUP OG BEGRAVELSER

Norwegen 2002, 97 min
Verleih: Alamode

Genre: Drama

Darsteller: Lena Endre, Björn Floberg, Goran Bregovic

Regie: Unni Straume

Kinostart: 10.06.04

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...