Mit Krebserkrankung und Sterbehilfe faßt Ben Verbong hier zwei heiße Themen zugleich an und erzählt eine Geschichte, die weder naiv noch belehrend ist, sondern tragikomisch. Die sterbenskranke Laura hat sich Rückhalt in der Familie gewünscht, aber als sie vor der Chemotherapie ins elterliche Haus flüchtet, ist die Familie zunächst überfordert. Der Vater nutzt sein Herrenzimmer als Dauerversteck, und die Mutter trommelt erst Lauras Ehemann und dann die drei Schwestern herbei. Den Ehemann schickt Laura fort, weil er an ihrem Kranksein zu sehr leidet, und mit dem Eintreffen der drei Schwestern wird zunächst nur eins klar: In dieser Familie ist einiges verkorkst. Die Mutter kocht sich die Seele aus dem Leib, obwohl niemand Appetit hat, die älteste Schwester Susanne, erfolgreiche Geschäftsfrau aus Hamburg, kompensiert emotionale Defizite mit dem Kauf neuer Klamotten. Die als Dummchen heimlich verlachte Corinna, Hausfrau und Mutter zweier Kinder, klagt das fehlende Erlebnis eines Orgasmus‘ ein, und bei Toni, Mutters schwarzem Schaf, währt keine Beziehung länger als eine Nacht. Für Laura heißt es also, vor ihrem Ableben noch einiges in Ordnung zu bringen.
Die Entscheidung Ben Verbongs für das Genre der Tragikomödie paßt hier zu einer eindeutigen Befürwortung der Sterbehilfe und der Aufstellung von Figuren, die sich nicht mit moralischen Einwänden abrackern, sondern vor allem an ihrem Umgang miteinander. Dieser Ansatz ist erfrischend, und die Turbulenzen auf dem Weg der Familienversöhnung sind auf gute Unterhaltung aus. Der Plot aber sitzt dem Bemühen um besondere Raffinesse und Effekthascherei auf, was schließlich zu einigen recht konstruierten und wenig glaubhaften Wendungen führt. Diese mögen zwar das zügige Tempo der Inszenierung halten, die Charaktere aber hinken diesem recht platt gezeichnet hinterher. Julia-Maria Köhler etwa trotzt ihrer emotional gestörten Toni bei der Geschichte mit einem plötzlich auftauchenden Traumprinzen noch etwas naiv-kindliche Romantik ab, aber Christiane Paul als die von Helfersyndrom und Kaufrausch zugleich geplagte Businessfrau Susanne agiert so hölzern, als wäre sie nicht im Geringsten daran interessiert, ihre Figur überhaupt kennenzulernen.
Die stärkste und zugleich komischste Leistung liefert hier Katharina Schubert als Laura ab. In den gelungenen schwarzhumorigen Szenen mit ihr zeigt sich das Potential dieses Films, der mit großer Offenheit beginnt, aber schlußendlich an einigen Klischees leidet und deshalb nicht gänzlich berühren kann.
D 2009, 110 min
FSK 12
Verleih: 3L
Genre: Tragikomödie
Darsteller: Katharina Schubert, Julia-Maria Köhler, Senta Berger, Christiane Paul
Regie: Ben Verbong
Kinostart: 30.04.09
[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.