Wenn einem Dokumentarfilm eine Texttafel voran steht, welche die widrigen Umstände der Entstehung des Films betont, dann kann man das als Zuschauer ruhig etwas effekthascherisch finden. Behandelt das Werk allerdings Zustände im heutigen Rußland, dann ist solch eine Vorab-Information schon wieder ganz anders zu sehen, schließlich belegt sie politische Verhältnisse, die in einer "lupenreinen" Demokratie nicht vorherrschen dürften. Entscheidend für einen guten Dokumentarfilm bleibt selbstredend, was Kamera und Mikrophon trotz der Hinderungen durch Polizei- und Sicherheitspersonal ergattern konnten. Und darauf darf Regisseurin Irene Langemann zu Recht stolz sein, weisen ihre Aufnahmen doch auf Entwicklungen hin, die ebenso beunruhigend sind wie die Einschränkungen von Presse- und Meinungsfreiheit in Putins Staat.
Die Straße Rubljovka führt vom Machtzentrum Moskau in eine einst naturreiche und deshalb sehr beliebte Gegend, die eine lange Tradition als Ansiedlungsort der Reichen und Mächtigen des Landes aufweist. Auch heute noch ist hier alter Adel vertreten, dominiert wird der populäre Landstrich allerdings von den Neureichen, für deren Spezies Langemann besonders interessante Vertreter vor die Linse holt. Diese Moneymaker verdrängen allmählich diejenigen, die - außer ihrem Stück Land an der begehrten Verkehrsader - wenig Wertvolles besitzen. Mit welchen Methoden den armen Menschen ihre Grundstücke abspenstig gemacht werden, ist wohl mit das Schockierendste an der aufschlußreichen Doku.
Langemann zieht mit der Wahl ihres Sujets eine spannende Verbindung von der einstigen Monarchie zum heutigen Wucherkapitalismus unter Putin. Der Präsident hat natürlich auch ein Anwesen auf der Rubljovka. Bilder, wie sich dessen Wagenkolonne martialisch ihren Weg durch den Verkehr bahnt, dienen der Regisseurin als Verbindungselement zwischen den einzelnen Strängen ihres Rußlandporträts.
Hoffnungsvoll stimmt wohl einzig, daß Langemann ihr Werk nicht mit Aufnahmen des bedrohlich inszenierten Staatsoberhaupts enden läßt, sondern mit Besserungswünschen des Jungen Roma - Sprößling einer auf der Rubljovka ansässigen Adelsfamilie - für sein Heimatland. Wer mit 12 Jahren schon so gut argumentiert, der muß unbedingt in die Politik. Die Adresse stimmt schon mal.
D 2007, 94 min
Verleih: GMfilms
Genre: Dokumentation, Polit
Regie: Irene Langemann
Kinostart: 20.03.08
[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...