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Shanghai

... vom Bilderrausch verschleiert

Wie der Titel verrät, befinden wir uns in Shanghai. Genauer gesagt: anno 1941. Japaner beherrschen die Stadt, außerdem treiben Nazis ihr Unwesen. Mittendrin versucht US-Agent Paul, den Mord an seinem Kumpel aufzuklären. Erste heiße Spuren führen zum chinesischen Gangster Anthony, doch bald hat Paul mehr als bloß ein berufliches Auge auf dessen mysteriöse Frau geworfen. Was einem japanischen Geheimdienstoffizier wenig zu gefallen scheint.

Dies zur Ausgangssituation, den Rest mögen Interessierte selbst sehen und entscheiden, ob sich Nationalitäten, Intrigen, Liebschaften und Politik zum Mosaik fügen. Oder über Stückwerk nicht hinauskommen. Denn ein seltsam gegensätzlicher Film entstand daraus, gleichsam positiv und negativ: Den Halbwelt-Glamour inklusive Casinos oder aufreizender, ständig Zigarettenrauch von sich pustender Damen kontrastiert im Parallelschnitt recht explizite, fast beiläufige Gewalt. Pulstreibende Musikuntermalung muß sich optischen Mätzchen, beispielsweise dem schon lange leergefilmten Regen auf blauem Asphalt, stellen. Und wie es sich für derart ambitionierte Werke geziemt, ist nichts und niemand das, was es, er oder sie zu sein scheint. Da wächst Widerstand im Verborgenen, sollten Emotionen verheimlicht werden, und lauert der Tod unter Uniformen oder Abendkleidung, während jede Aufnahme dazu einlädt, Detektivarbeit zu betreiben.

Ohne Frage: Dieses Shanghai verfügt über einige Atmosphäre. Mal dreckig, mal schön. Hat man sich allerdings an den „Großes Kino!“ schreienden Bildern gesättigt, schaut man hinter die visuelle Gestaltung, wird deutlich: Subplots und Verwicklungen können aufwertend wirken, gar zum Mitfiebern anregen. Hier jedoch verschleiern sie mehrheitlich, daß es sonst gar nicht viel zu entdecken gibt. SHANGHAI weckt darum Interesse, schafft es aber nicht, einen echten Spannungsbogen zu bauen; der Handlungsfluß, zweifellos vorhanden, entwickelt sich nie zum reißenden Strom. Und auch die Auflösung des als Aufhänger dienenden Mordes kommt zu banal daher.

So scheitert die komplizierte Struktur im Endeffekt an ihren Bemühungen sowie Behauptungen, und wenn das süßliche Finale Gutmenschentum zur Kunst erhebt, zerplatzt das Ganze schließlich wie eine Kaugummiblase ins Publikumsgesicht. Vielleicht kann man zwar trotzdem noch etwas darauf herumbeißen, aber der klebrig-schale Nachgeschmack bleibt.

Originaltitel: SHANGHAI

USA/China 2010, 105 min
FSK 16
Verleih: Senator

Genre: Drama, Thriller, Historie

Darsteller: John Cusack, Gong Li, Chow Yun-Fat, David Morse, Franka Potente

Regie: Mikael Håfström

Kinostart: 15.09.11

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...