Es mag überraschen, aber ja, in diesem Film geht es um große Frauen. Genauer gesagt um großgewachsene Frauen. Und so unzweideutig wie hier Titel und Inhalt in Zusammenhang stehen, so klar und direkt ist die Dokumentation auch gemacht. Keine vagen Andeutungen, keine Metaphern, keine Subtexte, keine künstlerischen Spielereien. Alles Wissenswerte und Erzählbare liegt auf der Hand, ist für jeden sofort faßbar. Zum Glück, geht es doch bei dem Film vor allem um die klare Benennung von Problemen, auf die junge Mädchen unweigerlich stoßen, wenn sie aufgrund ihrer Größe aus der Reihe ragen.
Damit greift der Film erfrischend direkt ein Thema an, welches sonst gerne sehr aufwendig verschlüsselt und verkompliziert wird, nämlich die Normierung von Schönheit. Und die Filmemacherin weiß, wovon sie spricht, gehört sie doch mit einer Körpergröße von 1,86 Meter selbst zu den Frauen, die sie porträtiert. So funktioniert der Film dann auch als persönliche Reise einer Regisseurin, die auch als Mutter agiert – angestoßen durch die Sorgen und Gedanken, die sie sich um ihre Tochter macht. Die ist gerade mal zwölf Jahre alt und schon einen Kopf größer als ihre Klassenkameradinnen. Und was sich auf den ersten Blick nach keiner großen Sache anhört, ist bei genauerem Hinsehen dann doch nicht zu unterschätzen. Vor allem, wenn man sieht, welche medizinischen Gegenmaßnahmen es so gibt.
Dafür besuchte die Regisseurin Edda Baumann von Broen mehrere Frauen und Mädchen in Deutschland, Österreich und Amerika. Alle sind verschiedenen Alters und haben einen ganz eigenen Umgang mit ihrer außergewöhnlichen Größe gefunden. Da gibt es zum Beispiel Lea (Schülerin, 1,81 m, vorausgesagte Größe: 1,95 m), die mit einer Hormontherapie versucht, ihrem Wachstum endlich ein Ende zu machen. Oder Lisa (Schülerin in Ohio, 1,99 m), die im Basketball die Anerkennung gefunden hat, die sie so lange suchte. Oder die beiden Models Tiiu und Michelle (beide 1,88 m), die selbst für das Modelbusineß, in dem ja bekanntlich ganz andere Regeln gelten, zu groß sein sollten, aber trotzdem erfolgreich geworden sind.
Herausgekommen ist ein wunderbar unaufgeregter, sehr persönlicher Film einer Frau, die ihrer Tochter Mut und Selbstvertrauen mit auf den Weg geben will und dies entsprechend vorlebt. Ein Film gegen die vorschnelle Ausgrenzung von Andersartigen und für das Selbstvertrauen. Interessant, informativ, unterhaltsam – nicht weniger.
D 2011, 80 min
FSK 0
Verleih: Salzgeber
Genre: Dokumentation
Regie: Edda Baumann von Broen
Kinostart: 19.07.12
[ Marcel Ahrenholz ] Marcel mag Filme, die sich nicht blind an Regeln halten und mit Leidenschaft zum Medium hergestellt werden. Zu seinen großen Helden zählen deshalb vor allem Ingmar Bergman, Andrej Tarkowskij, Michelangelo Antonioni, Claude Sautet, Krzysztof Kieslowski, Alain Resnais. Aber auch Bela Tarr, Theo Angelopoulos, Darren Aronofsky, Francois Ozon, Jim Jarmusch, Christopher Nolan, Jonathan Glazer, Jane Campion, Gus van Sant und A.G. Innaritu. Und, er findet Chaplin genauso gut wie Keaton ...