Als Normalbürger sagt einem der Name Travis Rice wohl vorerst nichts, deswegen darf der Mann zu Anfang nachdenklich enthüllen, ein Suchender zu sein. Gut, das trifft irgendwie wahrscheinlich auf jeden zu, ohne daß darüber Filme entstehen, was macht Rice demnach besonders? Tja, bahnbrechend geht anders: Er hat sein Leben dem Snowboard gewidmet.
Und dies dürfen aufgeregte Fans, müssen rezensierende Autoren oder soll das erhoffte Publikum im Kino beäugen. Getan und festgestellt: Menschenskind, 92 Minuten sind manchmal elend lang! Sympathiemäßig machen es uns aber auch weder der Regisseur noch Rice selbst leicht – wenn das unseren Extremsportler umgebende Team aus Wegbegleitern, Helfern sowie zumindest derart benannten Freunden quasi bloß die Funktion erfüllt, seinen Meister bedingungslos anzustaunen, mittels kurzer Interviewfetzen Hingabe zu demonstrieren und eh schon flüsterleise geäußerte Kritik in einen Mantel aus ungebrochener Bewunderung zu hüllen, hätte sich die Lichtgestalt Rice gleich ganz allein ins Zentrum des Gezeigten stellen können.
Was er dann häufig tatsächlich tut, vorrangig natürlich, um die bis zum Exzeß getriebene Passion zu promoten. Snowboarding ohne Rücksicht auf Verluste, immer mit der Angst vor Niederlagen im Nacken und unterfüttert durch Statements, angesichts derer Otto Couchathlet wie die Sau ins Uhrwerk glotzt: „Ich hatte das Gefühl, Japan hat etwas, das sein Riding richtig zur Geltung bringt.“ Logisch, Japan, klar, wo sonst!
Die Doku versäumt es dabei allerdings, nach Beweggründen zu forschen. Hobby und Adrenalin hin oder her, was bringt einen recht gefestigt wirkenden Typen denn nun konkret dazu, sich vom 3500 Meter hohen Gipfel eines verschneiten Berges zu stürzen?! Statt also wirklich hinter die (geistigen) Kulissen zu blicken, wienert das Loblied die Bühne auf Hochglanz, und Rice betritt sie inklusive Gefolge nur zu gern, blubbert sprechblasenverliebt vom „Way Of Living“, hydrologischen Zyklus, vierten Aggregatzustand des Wassers und erweckt den Eindruck, an eine dem Brett entlockte Leistung zu glauben. Sein sportliches Know-How steht vermutlich recht singulär auf weiter Flur, bloß: Jede Altenpflegerin erbringt mehr echte Leistung.
Dazu befeuert ohrenbetäubendes Soundanlagengebrüll die – zugegeben – oft schicken Bilder, weswegen baldige Müdigkeit nicht zum Schlaf führen kann. 92 Minuten wollen knallhart durchgehalten werden …
Österreich 2016, 92 min
FSK 12
Verleih: Studio Hamburg
Genre: Dokumentation, Sport
Regie: Jon Klaczkiewicz
Kinostart: 29.09.16
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...