Originaltitel: THE LOOK OF SILENCE
DK/Finnland/Indonesien/Norwegen/GB 2014, 103 min
FSK 12
Verleih: Koch Media
Genre: Dokumentation, Polit
Regie: Joshua Oppenheimer
Kinostart: 01.10.15
Vor etwa zwei Jahren kam der umstrittene und hochprämierte Film THE ACT OF KILLING des amerikanischen Regisseurs Joshua Oppenheimer in die Kinos. Er zeigte indonesische Massenmörder, die vor der Kamera ihre Taten nachspielten, was in einem grotesk anmutenden Theater des Grauens mündete. Oppenheimers neuer Film nimmt nun die Gegenperspektive ein: die der Opfer und ihrer Angehörigen.
Zum Hintergrund: Von 1965 bis 1966 wurden in Indonesien nach einem Putsch etwa eine Million Menschen auf brutalste Weise abgeschlachtet – unter dem Vorwand, sie seien staatsgefährdende Kommunisten. Dieser Völkermord wurde von der westlichen Welt gedeckt und ist in Indonesien bis heute nicht als solcher benannt. Unter der mehr als 30 Jahre währenden Suharto-Diktatur kamen die Täter zu Macht und Wohlstand. Niemand von ihnen wurde angeklagt. Den Hinterbliebenen der Massaker war es nicht erlaubt, öffentlich über ihre Verluste zu sprechen. Noch immer werden sie als Staatsfeinde diffamiert. Sie sind eingesperrt in einem Gefängnis der Angst und des Schweigens.
Adi Runkun, dessen Bruder vor Adis Geburt einst brutal ermordet wurde, findet sich mit diesem Schweigen nicht ab. Zusammen mit Oppenheimer sucht er die Täter auf und gibt sich als Angehöriger eines Ermordeten zu erkennen. Zum ersten Mal sind sie gezwungen, ihre Taten zu rechtfertigen. Reue zeigt keiner von ihnen, vielmehr reagieren sie empört auf seine Fragen. Einer der Mörder droht Adi gar: „Wenn du die Vergangenheit nicht ruhen läßt, könnten die Massaker jederzeit wieder aufflammen.“ Die Schilderungen der Täter sind voller Widerwärtigkeit und Bestialität. Es bedarf keiner Bilder, dieses Grauen zu illustrieren. Es ist auch so kaum auszuhalten.
Es gehört außergewöhnlicher Mut dazu, einen solchen Film zu drehen – vor der Kamera noch mehr als dahinter. Adi Runkun wagt, was noch niemand zuvor in Indonesien gewagt hat: Er verleiht den Opfern Gesicht und Stimme.
Zwar funktionieren die zwei Filme von Oppenheimer für den Zuschauer unabhängig voneinander, inhaltlich gehören sie jedoch zusammen. Beide wurden sie öffentlich in Indonesien gezeigt – zum Teil begleitet von Gewalt-androhungen gegen die Veranstalter – und lösten große gesellschaftliche Debatten im Land aus. So ist auch THE LOOK OF SILENCE ein Paradebeispiel für die positive Macht des Kinos.
[ Dörthe Gromes ]