Fünf Monate lang beobachtete Carola-Noelle Hauck eine Gruppe von Medizinstudenten im Anatomie-Unterricht. Für die jungen Leute ist es das erste Mal, daß sie so direkt, so körperlich mit einer Leiche konfrontiert sind. In acht Filmteilen interviewt Hauck ihre Protagonisten, befragt sie zu Ängsten und Hemmungen, zu Ekel, wissenschaftlicher Neugier und moralischen Bedenken.
Konzentriert verfolgt die Kamera den ersten Schnitt in die Haut des toten Mannes, die Anfängerfehler, Pausengespräche, Prüfungsangst. Niemand kennt den Mann, der seinen Körper der Forschung zur Verfügung stellte. Und doch scheint er seltsam vertraut. Seine Narben und körperlichen Besonderheiten geben Anlaß zum Nachdenken, zu Spekulationen über sein Leben.
Im Laufe der Unterrichtsstunden werden die Hemmungen geringer, die Gespräche unter den Studenten füllen sich mit fachmedizinischem Vokabular. Der Tote, für dessen Vergangenheit und Leben man sich zuerst noch interessierte, wird mehr und mehr zum Lehrmaterial. Das Gesicht als Ausdruck der Persönlichkeit wurde zuerst mit soviel Ehrfurcht betrachtet, daß der Gedanke, es zu zerschneiden, Angst und Unbehagen einflößte. Jetzt überwiegt die Faszination für die anatomische Perfektion.
Interessant ist der Blick auf die grotesk respektvollen Rituale der Mitarbeiter. Säuberlich werden die auseinanderpräparierten Körperteile zusammengesucht und in einen Sarg gelegt - der Sargdeckel links, das Unterteil rechts vom Seziertisch. Schweigend geben sie dem zerschnittenen Körper das letzte Geleit.
Hauck wertet nicht. Sie dokumentiert die Abläufe. TISCH No 6 ist die Abschlußarbeit der Absolventin der Filmakademie Baden-Württemberg.
D 1998, 83 min
Verleih: Arsenal
Genre: Dokumentation
Regie: Carola-Noelle Hauck
Kinostart: 27.01.00
[ Sylvia Görke ]