D 2018, 108 min
FSK 12
Verleih: Neue Visionen
Genre: Drama, Historie
Darsteller: Alexandra Maria Lara, Robert Stadlober, Stefan Kurt, Barbara Schnitzler, Karoline Eichhorn
Regie: Bernd Böhlich
Kinostart: 05.09.19
Wir fangen mal am Ende an: Eine finale Texteinblendung informiert darüber, daß Berichte von und Gespräche mit Zeitzeugen zur Basis jenes Films dienten, und das erklärt tatsächlich einiges, neigt der sich erinnernde Mensch doch zur Simplifizierung, memoriert bloß wunderhübschen Glanz, das goldene Damals, oder umgekehrt lichtlose Schwärze, die schreckliche Vergangenheit. Und so wirkt UND DER ZUKUNFT ZUGEWANDT, als hörte man dem erzählenden Großvater zu. Wobei der Opa hier eine Oma ist, die Antonia heißt, unschuldige Insassin eines sowjetischen Straflagers, verliert dort ihren Mann, findet später in der DDR eine neue Heimat, die es zu beschützen gilt. Totales Stillschweigen über das Erlittene inklusive.
Worin bereits aufscheint, was Regisseur Bernd Böhlich interessiert, Ambivalenz nämlich. Vergrabene Wahrheit, gelebte Lüge. Blindes Festklammern an hehren Idealen, ihrer nur nominellen Existenz. Und, wie eine parallel laute und schon an der Wahrheit kratzende Dialogzeile poltert, „Alles wegen dieser Scheiß Politik!“ Welche Antonias Hoffnungen sukzessive begräbt und ihr Brocken um den zunehmend weniger aufrecht gehaltenen Hals hängt, da gelingen berührende Szenen. Etwa, wenn Antonia vom Tod des Vaters erfährt und auf Mutters Frage, wo sie die ganze Zeit gewesen sei, nichts antworten kann. Antworten darf. Auch die aufgebotene Sorgfalt überrascht, das Zeitgemälde birgt schöne Elemente, DDR-Geschulte meinen, den nach alter Marmelade schmeckenden Rosenthaler Kadarka zu erkennen …
Detailfreude, angesichts derer Böhlichs recht formelhaftes Drehbuch abfällt, sämtlichen erkennbaren Gegenversuchen zum Trotz auf zu linearen Wegen wandelt. Natürlich wird Antonia vom Sekretär für Agitation und Propaganda persönlich quasi überwacht, selbstverständlich verbirgt der joviale Nachbar frühzeitig Ahnbares, muß eine Leidensgenossin wiederkehrend ihre staatsfeindliche Stimme erheben, um Dahergebrabbeltem à la „Ich liebe die Sowjetunion, sie ist meine zweite Heimat!“ Kontra zu geben. Zwischentöne? Schwierige Sache.
Oma Antonias Blick zurück geschieht ergo im ziemlich selbstgerechten Zorn. Das akzeptierend abgehakt, vermag man sie durchaus zugeneigt anzusehen – diese überhöht schwelgenden, auf echte Subtexte verzichtenden, dennoch (oder gerade deshalb?) unterhaltsamen und manchmal gar mitreißenden 108 Geschichtsminuten.
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...