Kurzer Zeitrahmen: 1975 gab Diplom-Ingenieur Niels Stokholm seine sichere Stelle an der Technischen Universität Dänemarks auf, um einen Hof zu kaufen, diesen einer gemeinnützigen Stiftung zu spenden und biodynamisch zu bewirtschaften, was er heute, fast 80jährig, immer noch tut. Niels’ Hingabe gilt hauptsächlich dem originalen (darauf legt er Wert) Roten Dänischen Milchrind – aber Probleme machen die Finanzen und nervige Menschen vom Tierschutzbund, die Auflagen verletzt sehen und ständige Geldstrafen einfordern.
So die Ausgangslage, und es sei hier jedem Leser selbst überlassen, ob Niels mit spirituellen Ansichten über unter anderem in Pflanzen sichtbares, von Planeten reflektiertes Licht oder Regenwürmer als geistige Wesen den Bogen überspannt oder exakt ins Schwarze trifft. Bleiben wir daher bei objektiveren Gedanken und stellen fest: Regisseurin Phie Ambo macht definitiv keinen Hehl daraus, auf wessen Seite sie sich beheimatet fühlt. Gut und richtig, Niels geht fraglos sehr liebevoll mit den Tieren um, kann andere begeistern, ist unangezweifelt ein Visionär. Trotzdem gelingt es Ambo kaum, die zum Weiterdenken notwendige Ambivalenz zu schaffen.
Schön, wenn allein der Pressetext gleich mehrfach darauf hinweisen darf, wie kraftvoll sich die besten Restaurants um Niels’ Produkte reißen, sich zu etwas nervigem Singsang die bereits erwähnten Würmchen großformatig durchs Erdreich buddeln, eine schwierige Steißgeburt mit vereinter humaner Kraft zum Erfolg eines niedlichen, lebendigen Kälbchens führt. Natürlich käme kein halbwegs normal denkender Mensch, selbst der regelmäßigste Fleischfresser nicht, angesichts solch’ eindringlicher Bilder ernsthaft auf die Idee, Massentierhaltung auch nur ansatzweise positiv zu belegen.
Und doch … Ambo bleibt durch elegantes Umschiffen, lediglich dezentes Anreißen die knallhart-konkrete Antwort schuldig, was man seitens des Tierschutzes (!) eigentlich permanent bemängelt – und wie es um die Berechtigung dessen steht. Ehrlich empfundener Zorn gegen die Industrie soll der Dame und gleichsam Niels zur Ehre gereichen, aber deutlich tiefer ausgeschöpftes Differenzierungspotential hätte beidseitig forschungswillige Betrachter erfreut. Die Antwort, ob sie glücklich sind, kennen ergo bloß Niels’ Kühe. Und blicken mit diesen schönen Augen in frustrierender Wiederkäuer-Ruhe schweigend gen Kamera.
Originaltitel: SA MEGET GODT I VENTE
DK 2014, 100 min
FSK 0
Verleih: mindjazz
Genre: Dokumentation
Stab:
Regie: Phie Ambo
Drehbuch: Phie Ambo
Kinostart: 19.03.15
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...