[ 27.08.2009 ] PLAYER gibt es in diesem Herbst zehn Jahre! Aus diesem Anlaß stellen wir unsere Partner, die Leipziger Kinomacher, vor. Den Anfang machen die Damen.
PLAYER sprach mit Petra Klemann (Passage), Susanne Schönberg (Schauburg), Claudia Künzel (CineStar), Miriam Pfeiffer (Kinobar Prager Frühling) und Jane Wegewitz (Cinémathèque). Billi Gärtner vom Cineding war leider erkrankt.
Wie ist es, in Leipzig Kino zu machen?
MP: Es ist wunderbar! Die eigene Leidenschaft läßt sich auf den Besucher übertragen. Die Leipziger lassen sich für ausgefallene Reihen begeistern, es scheint Interessenten für alles zu geben. Und das Publikum ist so wie der Standort meines Kinos – bunt und aufgeschlossen.
JW: Unser größtes Problem ist nach wie vor, daß wir kein eigenes Haus haben. Das führt noch zu oft zu Verwechslungen mit der naTo. Aber: Wir kennen wir unser Publikum gut, wir haben quasi über die Jahre eine enge Bindung hergestellt, das ist ein großer Vorteil. Dennoch können wir nicht von der Zielgruppe sprechen, es sind immer unterschiedliche Programme, die verschiedene Menschen ansprechen. Das heißt eben auch, daß wir uns immer wieder Neues erdenken müssen. Das zeigt auch den Sonderstatus der Cinémathèque – im Programm, in der speziellen Klientel und der Wahrnehmung.
PK: Ich mache ja nun schon seit über 20 Jahren Kino in Leipzig, und es macht noch immer Spaß. Zuerst – quasi Learning By Doing – in ganz kleinen Häusern, jetzt mitten in der Innenstadt. Ein volles Kino begeistert immer wieder. Es gibt in Leipzig ein sehr aufgeschlossenes Publikum, für jeden kann etwas geboten werden. Ich denke, daß gerade unser Programm alle Besuchergruppen anspricht – vom Studenten bis zum Bildungsbürger, vom Kleinkind bis zum sogenannten Best Ager. Wir sind breit aufgestellt und können sicher nicht so experimentieren wie die Kollegen in der Cinémathèque. Ich würde den Leipzigern auf jeden Fall attestieren, daß sie ein kluges Publikum sind.
SS: Ich muß ehrlich sagen, daß es nicht immer einfach ist, erfolgreich Kino zu machen. Das hat mit der Verleihpolitik zu tun, da dauert es oft zu lange, bis eine Kopie bei uns gespielt werden kann. Schön ist, daß wir ein sehr höfliches, geradezu kultiviertes Publikum haben. Das liegt sicher am relativ hohen Anteil älterer Zuschauer. Sie nehmen den Kinobesuch richtig ernst, da wird sich sogar einen Tick feierlicher gekleidet bei speziellen Filmen. Und die meisten nehmen ja auch einen längeren Anfahrtsweg in Kauf, weil unser Publikum kaum aus der näheren Umgebung kommt. Was mich besonders freut: Wir haben in doch recht kurzer Zeit ein Stammpublikum ansprechen können.
CK: Mir macht es als Mitarbeiterin im Marketing natürlich besonders Spaß, zielgruppengerechte Programme zu vermitteln. Seien es die Abende, die speziell für Frauen zugeschnitten sind, oder seit einem knappen Jahr unsere Reihe CineBook, wo uns der Brückenschlag zwischen Film und Literatur erfolgreich gelungen ist. Was neuerdings gut geht, ist das Angebot von ausgewählten Vorführungen großer Blockbuster im Original. Insgesamt kann ich mich den Kolleginnen nur anschließen: Die Leipziger sind offen, aufgeschlossen, was auch dadurch bestätigt wird, daß wir selbst mit etwas waghalsigeren Experimenten bisher nie auf die Nase gefallen sind.
Was hat sich in den letzten Jahren beim Kinomachen geändert?
JW: Eigentlich war es vor zehn Jahren schwerer, erfolgreich Kino zu machen, weil damals der Nachholbedarf, was Kinogeschichte anbelangt, gesättigt war. Daher verschob sich unser Fokus bereits Mitte der 90er auf junges, internationales, unabhängiges Kino. Unser Publikum wandelt sich stetig, was mit Anfang und Ende des Studiums zu tun hat, da wir doch einen großen Anteil an Studenten als Gäste haben. Die Erstsemester erkennen wir immer daran, daß sie zwar zur Kasse finden, dann aber staunenden Auges fragen, wo hier denn eigentlich der Kinosaal sei.
MP: Angefangen hatte die Kinobar ja als klassisches Nachspielkino. Erst später wagte ich mich dann an Reihen – getrieben von der Leidenschaft, das, was mich interessiert, auch einem Publikum zu vermitteln. Es macht einfach Spaß, um einen Film, der im Einzelfall oft gar nicht so gut läuft, eine kleine Auswahl von Werken des Regisseurs oder der Schauspielerin zu gruppieren, und plötzlich geht das Gesamtpaket doch ganz gut. Und es ist doch auch so, daß man – der Kinomacher eingeschlossen – auch immer wieder von Filmen etwas lernt, sich für Neues öffnet. Zum Beispiel, in dem man Filme zu komplexen Themen wie „Gender“ zeigt und sieht.
PK: Ich finde schon, daß sich das Kinomachen gewandelt hat. Wir haben nach der Eröffnung ungefähr ein Jahr gebraucht, um in den Fokus des Publikums zu gelangen. Von da an ging es eigentlich Jahr für Jahr bergauf. Und seit 2006 kann man sagen, daß die fetten Jahre doch vorbei sind. Durch das komplett veränderte Freizeitangebot sind die Besucherzahlen spürbar rückläufig. Doch neben verändertem Freizeitverhalten gibt es nach wie vor zu viele Filme, was zu einer Gesamtverschiebung in der Qualität und auch beim Abspiel führt – denn es stehen ja nicht zwangsläufig mehr Kinosäle zur Verfügung.
Fehlt im Arthousebereich der Nachwuchs auch deshalb, weil Filmkunst nicht vermittelt wurde?
MP: Also ich hätte gern mehr älteres Publikum im Kino, das sich auch zu benehmen weiß. Ne, im Ernst, ich kann mich da gar nicht beklagen, da ich schon auch sehr junges Publikum bei uns begrüßen kann. Klar, oft in speziellen Programmen wie die Reihe mit den deutschen Kurzfilmen. Ich denke, daß es sehr viel Nachwuchs gibt, definitiv auf der Seite der Macher. Die Hochschulen sind doch voll mit kreativen Filmern.
JW: Ach, ich habe an sich wenig Lust, immer etwas so zu stricken, ein Event quasi, daß man dann per se ein jüngeres Publikum erreicht. Es muß doch auch genügen, einfach nur einen guten Film zu zeigen. Der Trend geht aber schon dahin, daß man für die Vermittlung anspruchsvoller Filme an Jüngere immer einen Rahmen schaffen muß. Die Jugend steht meines Erachtens auf verkürzte Formate à la YouTube und MySpace, alles muß schnell konsumierbar sein, sie sind doch sehr ungeduldig. Mit dieser Häppchenmentalität geht Qualität und auch der Begriff vom Kino verloren. Ich würde schon sagen, daß es da momentan eine Bildungslücke gibt.
PK: Ich kann es nicht mit Zahlen belegen, aber vom Gefühl her ist es so, daß sich die unbekannteren Filme, die keinen Star haben, schwerer an jüngere Zuschauer vermitteln lassen. Das war früher, wenn man beispielsweise an die ersten Jarmusch-Filme denkt, sicher anders. Und durch diese Tendenz verändert sich auch das Angebot. Wir hatten noch nie so viele Filme wie im letzten Jahr, die sich explizit an ein erwachsenes Publikum wenden, wie eben WOLKE 9.
Die Cinémathèque und die Kinobar – zwei Kinos im Süden. Kommt man sich da in die Quere?
JW: Nö, die Karli ist lang und unser Programm doch so unterschiedlich, daß man sich da wirklich nicht in die Quere kommt. Sicher ist es mal so, daß man bei speziellen Filmen ein gleiches Interesse hat. Aber da spricht man sich ein wenig ab und läßt einen Einsatz auch mal sein, wenn die Kopie kurz vorher in der Kinobar lief.
MP: So sehe ich das auch. Ich bin immer erstaunt, daß die Leute so weit raus in mein Kino fahren. Gerade das letzte Stück von der HTWK bis zum Kreuz: Wenn man da mit dem Rad unterwegs ist, und der Wind gehörig pfeift – also auch da Respekt an meine Kinobesucher. Und was den Wettbewerb anbelangt: Ich habe da gar keine Ängste, in Leipzig muß sich ohnehin kein Kinomacher in irgendeiner Form bedroht fühlen.
PK: Ich will da auch nicht jammern. Wir haben schon eine privilegierte Situation. Man kann relativ einfach arbeiten. Auf Grund der Anzahl der Leinwände befindet man sich doch in einer recht komfortablen Situation.
Aus dem Nähkästchen geplaudert: Was sind die schönsten oder auch unangenehmsten Erinnerungen Eurer Kinojahre bisher?
PK: Was mich sehr beeindruckt hat, war der Besuch von Kurt Masur. Und auf wen ich mich jedesmal freue, das ist Andreas Dresen. Er war ja nun schon dreimal bei uns – ein total sympathischer Zeitgenosse.
CK: Ich erinnere mich besonders gern an eine spannende Marketingaktion. Zu GOOD BYE, LENIN! hatten wir den tonnenschweren Kopf von Lenin aus München nach Leipzig herangeschafft. Der Kopf wurde regelrecht zu einer Pilgerstätte vor dem Eingang zum Petersbogen, an der sich die Menschen gegenseitig fotografierten. Absurd war das Ganze ja ohnehin, daß man den Lenin-Kopf, der früher am Russischen Pavillon auf der Messe stand, mittlerweile aus dem Westen holen mußte. Mit der Aktion haben wir es sogar bis zu Herrn Kloeppel in die RTL-Nachrichten geschafft! Was mir immer in guter Erinnerung ist, sind die Publikumsgespräche nach Filmpremieren. Das muß man den Leipzigern attestieren, daß diese Gespräche oft auf wirklich hohem Niveau stattfinden. Kluge Fragen, reges Interesse, gute Atmosphäre – da vergißt man dann auch die Zeit. So war es, als Heike Makatsch im Haus war, da gab es einfach einen spannenden Dialog, da schaute keiner auf die Uhr.
MP: Naja, es gibt auch so Veranstaltungen, die einem auf die Nerven gehen, wenn man schon Tage vorher vom hochnervösen Verleih halbverrückt gemacht wird. So war es zu BOTÉRO im Rahmen der Filmkunstmesse. An sich lief dann doch alles ganz gut, außer daß der Regisseur eben meinte, daß das hier doch überhaupt kein richtiges Kino sei! Es gibt eben immer mal Abende, an denen ich dann auch mal nicht da sein will, da ich nicht der geduldigste Mensch bin.
SS: Die schönste Premiere war bisher DER LANGE WEG ANS LICHT. Der große Saal war voll, alles lief bestens, tolle Stimmung, es waren sehr viele Hebammen da, die natürlich Szenen mit gehörigem Gelächter begleiteten.
Was wünscht ihr Euch fürs Kino?
SS: Ich habe einen schlichten Wunsch: Daß mehr Zuschauer zu uns finden, und daß es im Kino wieder mehr zu lachen gibt. Momentan überwiegen doch die düsteren Stoffe. Ich hoffe, daß die Leute sich bewußt werden, daß es nichts nützt, zuhause bild- und soundtechnisch aufzurüsten: Kino gibt es nun einmal nur im Kino.
PK: Ich wünsche mir, daß Kino vor allem in seiner Genrevielfalt weiterhin besteht. Und daß es mehr wieder Filme gibt, die als Langläufer funktionieren, denn die sind leider selten geworden.
JW: Mehr Qualität im Kino! Was die Filme anbelangt, aber auch das Format – wir lieben 35mm-Filmkopien! Und – ich kann es nicht oft genug sagen – ich wünsche uns, daß die Cinémathèque in absehbarer Zeit eine eigene Spielstätte hat.
MP: Ich wünsche mir ehrlich gesagt gerade nüscht. Bin eher sehr zufrieden, wie es läuft.
CK: Ich hoffe, daß unser 3D-Kinosaal weiterhin so gut angenommen wird, ebenso unsere außerfilmischen Programmpunkte wie die Opernübertragungen ab Oktober. Und es könnten schon wieder ein paar Premieren mehr in Leipzig sein. Noch ein ganz ganz uneigennütziger Wunsch ist natürlich die längst überfällige Autogrammstunde mit George Clooney ...
Danke für das Gespräch und auf weiterhin so angenehme Zusammenarbeit.
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.