[ 11.10.2012 ] Ihr neuer Film SAVAGES fühlt sich kein bißchen wie ein „Alterswerk“ an. Er ist sehr frisch, laut und knallig. Was hat sie an der Geschichte gereizt?
Ich fand das Buch wild und originell. Es spielt mit Klischees, erfüllt sie aber nicht. Es bleibt unvorhersehbar, und so sollte auch der Film werden. Und alle zentralen Charaktere sind nicht statisch, sie verändern sich, und so etwas interessiert mich. Und natürlich der Drogenkrieg, der nie enden wird, und der alles hat: Korruption, Verrat und eine unglaubliche Brutalität. Der mexikanische Drogenkrieg hat Opferzahlen wie Vietnam.
Gewaltdarstellung hat sich seit NATURAL BORN KILLERS im Crime-Genre potenziert. Wie hat das die Ästhetik in SAVAGES beeinflußt?
Mir ging es bei der Gewaltdarstellung nicht um Sensationsgier. Für mich sollte sie sich realistisch anfühlen. Die Brutalität der Kartelle ist dokumentiert und unvorstellbar extrem. So weit wollten wir nicht gehen. Bei der Folterszene sind wir allerdings bis zum Anschlag gegangen, weil sie den Zuschauer wachrütteln sollte. Aber grundsätzlich muß für mich die Gewalt aus den Charakteren kommen und sich authentisch anfühlen. Diese neue, saubere Gewalt in Filmen wie dem neuen Bourne- oder dem letzten Batman-Film finde ich langweilig.
In SAVAGES scheint die Politik in der überbordenden Korruption und Gewalt unterzugehen. Gibt es dennoch eine indirekte Botschaft zur Drogenpolitik der USA, etwa „Legalize It?“
Nein, wozu wäre das gut? Das wird niemals passieren. Kein Politiker würde jemals damit durchkommen, zumindest nicht in den USA. Selbst Obama, der offenkundig als junger Mann Dope geraucht hat, macht mit bei der Dämonisierung der Drogen. Die Regierung mischt sich sogar in die kalifornische Politik ein, die Marihuana unter bestimmten, gesundheitsfördernden Bedingungen zuläßt.
Also in Zukunft keine Kontroversen mehr um ihre Filme?
Dieses Label als kontroverser Filmemacher ist nur das: ein Label. Es stört auch. Ich habe ruhigere, subtilere Filme gemacht, und die waren oft nicht die, die die Leute erwartet haben. Bei WALL STREET 2 hätten manche gerne gesehen, wie ich die Bänker aufspieße, aber das war nicht meine Absicht. Außerdem ist „kontrovers“ auch nichts, was man voraussagen kann, man weiß nie, was morgen als kontrovers wahrgenommen wird. Irgendeiner macht ein dummes Video, und die muslimische Welt ist in Aufruhr. Ich sehe mich als Dramatiker, der in seinen Werken nach der Wahrheit sucht. Und das provoziert eben hin und wieder ein paar Leute. Leute wie Mitt Romney.
In SAVAGES sagt einer, daß Drogen eine natürliche Reaktion auf den Irrsinn der Welt sind. Ist das auch Ihre Sichtweise?
Absolut! Die Leute, die Menschen wegen Marihuana-Besitzes einsperren sind genauso geisteskrank wie die Leute, die Kriege im Irak und Afghanistan anfangen. Die Leute im Establishment sind die wirklich Geisteskranken. Das glaube ich wirklich. Und vielleicht kann ich eines Tages einen Film machen, der das alles mal zeigt.
[Das Gespräch führte Paul Salisbury.]
[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...