© DOK Leipzig 2015
[ 02.10.2015 ] Das 58. DOK Leipzig eröffnet mit einer Weltpremiere: ALLES ANDERE ZEIGT DIE ZEIT, der sechste Teil von Andreas Voigts Leipzig-Zyklus, ist parallel im CineStar sowie bei freiem Eintritt und inklusive Regisseursgespräch im Hauptbahnhof zu sehen. Außerdem fand ein Führungswechsel statt, an der Spitze steht nunmehr die aus 33 Bewerbern ausgewählte neue Festivalleiterin Leena Pasanen. PLAYER traf sie – zwar vom Pilotenstreik unter Streß gesetzt, aber trotzdem gelassen und sehr zuvorkommend – zum Gespräch.
Sie wurden in Finnland geboren und haben die letzten Jahre in Ungarn gelebt und gearbeitet ...
Zwischendurch war ich noch drei Jahre in Dänemark. Von Finnland bin ich nach Dänemark gegangen, dann zurück nach Finnland, von dort aus nach Budapest. Also ist Deutschland mein viertes Land!
Wie gefällt es Ihnen hier?
Ich habe Budapest wirklich geliebt, diese Stadt ist ein fantastischer Ort zum Leben. Aber Ungarn selbst befindet sich in einem entsetzlichen Zustand. Ich war sehr traurig darüber, was die derzeitige Regierung dem Land antut, das setzt sich im derzeitigen Umgang mit den Flüchtlingen fort. Als sich mir die Möglichkeit bot, nach Leipzig zu kommen, habe ich sie sofort ergriffen, ich wollte das wirklich. Ich kannte die Stadt schon ziemlich gut, weil ich in den letzten zehn Jahren häufig hier gewesen war, allerdings immer nur zu Festivalzeiten, im Winter. Ich hatte keine Vorstellung davon, daß es hier noch schöner sein könnte, vor allem im Sommer, wunderbar. Deutschland wiederum bringt ganz neue Erfahrungen mit sich, zum ersten Mal wohne ich in einem der wichtigsten und einflußreichsten Länder der Welt. Die Atmosphäre hier ist anders. Es gab auch ein paar kulturelle Überraschungen, alles in allem bin ich aber sehr begeistert von dieser neuen Ausrichtung meines Lebens.
Könnten Sie diese Überraschungen genauer beschreiben?
Ich denke, bei der Nutzung von Technik, WiFi zum Beispiel, ist Deutschland manchmal noch recht zögerlich. In Finnland oder Dänemark sieht das anders aus, dort zahlt man mit dem Handy seine Straßenbahnfahrkarte oder zieht sich eine Cola am Automaten. Andererseits ist es wiederum ein echtes Vergnügen, in Deutschland zu leben, weil alle anderen Staaten zuerst auf Kultur verzichten, wenn Einsparungen nötig werden. Hier hingegen fällt mir auf, daß die Unterstützung der Kultur konstant bleibt, und zwar nicht allein DOK Leipzig betreffend. Sie wird allgemein als hohes Gut angesehen und gewürdigt. Das habe ich so noch nie erlebt, und es hat mich positiv überrascht.
Wie würden Sie DOK Leipzig in fünf Worten definieren?
Ich möchte Ihnen da Adjektive nennen: intelligent, emotional, überraschend, augenöffnend, fesselnd. Ausführlicher geantwortet, liegt die Schönheit des Festivals in seiner Geschichte, seinem festen Platz in der osteuropäischen Filmkultur. Außerdem war es schon immer sehr mutig, hat auf Veränderungen in den Erzählstrukturen reagiert. Denken Sie beispielsweise an die Verschmelzung von Dokumentation und Animation, die wir in Zukunft sicher noch verstärkt herausstellen werden. Das Festival respektiert seine Geschichte, ohne sich Neuem zu verweigern.
Sie sind als Festivalleiterin gleichzeitig geschäftsführend als auch künstlerisch tätig. Ist das eine Herausforderung bzw. wurde dadurch Ihr Interesse geweckt?
Eine alleinige Position als Geschäftsführerin hätte mich tatsächlich nicht so sehr interessiert, das Zusammenspiel mit der künstlerischen Komponente ist das wirklich Spannende. Darüber hinaus arbeite ich bei DOK mit echten Experten zusammen. Was bedeutet: Als Geschäftsführerin kann ich mich auf die Experten innerhalb unseres Festivals verlassen, die einen hervorragenden Job machen. Künstlerisch liegt die Stärke von DOK Leipzig in der hervorragenden Filmauswahl. Wir zeigen Filme, die einen klaren Standpunkt vertreten.
Mit Blick auf die künstlerische Richtung: Wird es Veränderungen geben?
Wir haben strukturelle Änderungen vorgenommen, aber sonst sehe ich derzeit keine Notwendigkeit. Die hohe künstlerische Qualität steht im Vordergrund, wir wählen danach aus, ob die Filme und deren Macher uns etwas mitteilen können. Wissen Sie: Es würde keinen Sinn machen, die Festivalleitung zu übernehmen und die künstlerische Linie komplett umzuwerfen! Dennoch hält das gesamte Team selbstverständlich die Augen offen und schaut, wohin wir uns bewegen, weil unser Anliegen ist, dem Publikum etwas zu präsentieren, das es nicht jeden Tag zu sehen bekommt.
Dürfen Sie bereits ein paar Schwerpunkte und persönliche Highlights 2015 nennen?
Ich bin sehr, sehr zufrieden mit dem Programm insgesamt, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Wettbewerbe. Dem Publikum wird hohe Qualität geboten, unter anderem rücken wir Südkorea in den Fokus, ein weiter Komplex widmet sich dem 25. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung, und ganz besondere Erwähnung verdient unser Projekt „DOK Neuland“ auf dem Marktplatz. Das ist eine Art Ausstellung, in der die Besucher die zukünftigen Möglichkeiten des Storytelling erleben können.
Das klingt sehr interessant. Wie kann man selbst ein Teil dieses Projektes sein?
Die Ausstellung ist offen für alle. Man kann vieles ausprobieren, auch Virtual-Reality-Erlebnisse. Darin kann man dann den Verlauf einer Geschichte über den eigenen Atem steuern. Aber ich will nicht zu viel verraten, wir sehen das als kleines Überraschungsgeschenk an die Stadt.
Letzte Frage: Haben Sie einen Lieblingsfilm?
Hin und wieder gibt es tatsächlich einen Film, der mich stark berührt und bewegt. Ich mag das Cinéma vérité, versuche aber auch, mich mehr zu öffnen. Ich werde verspielter, es interessiert mich, wie animierte oder fiktionale Bestandteile funktionieren. Manchmal finde ich sie katastrophal, manchmal plump und schlecht integriert, doch ein wirklich brillanter Regisseur erschafft daraus etwas Großes. Ich muß gestehen, daß ich an einen Film mein Herz verloren habe, ich war dabei, als im Rahmen eines kleinen Workshops in Italien der Regisseur potentiellen Finanziers zum ersten Mal seine Idee präsentierte. Die Rede ist von SEARCHING FOR SUGAR MAN.
Ein toller Film!
Ja, und das werde ich für mich immer wertschätzen: von Anfang an dabei gewesen zu sein und die Ehre gehabt zu haben, diesem Filmemacher zu begegnen. Ich war zutiefst erschüttert, als ich von seinem Tod hörte. Ein weiterer Grund, weshalb ich dem Film so emotional begegne.
Vielen Dank für das Gespräch!
Sehr gern!
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...