[ 29.09.2017 ] Wie wählt man aus etwa 3.000 eingereichten Filmen rund 300 für das Festival aus?
In unserem sechsköpfigen Auswahlteam haben wir Techniken entwickelt, um diese große Zahl an Einreichungen auf eine sinnvolle Menge runterzubrechen. Am Ende sind wir drei Wochen in Klausur gegangen. Das dabei entstandene Programm ist keine objektive Auswahl, sondern bildet die Quersumme unserer sechs Persönlichkeiten mit all ihren Vorlieben und Kenntnissen. Jeder ausgewählte Film hatte seinen Fürsprecher, und um jeden haben wir hart gekämpft.
Das Festivalmotto lautet: „Nach der Angst.“ Inwiefern zieht es sich durch das Programm?
Es dient vor allem dazu, einen atmosphärischen Akzent zu setzen. Viele Filme thematisieren den Umgang mit Ängsten direkt oder indirekt. Im Grunde fragen sie, auf sehr unterschiedliche und vielfältige Weise, wie das Heute eigentlich zu verstehen ist. So wird sich ein Sonderprogramm mit Animationsfilmen dem Festivalmotto auf humorvolle Weise nähern.
Wie wird dem 60. Jubiläum Rechnung getragen? Wird es wieder ein Buch oder eine DVD geben wie vor zehn Jahren?
Nein, wir haben uns zu einer anderen Herangehensweise entschlossen. Statt einer Publikation werden im Vorfeld des Festivals an drei Abenden Filme aus der Geschichte des Festivals gezeigt, die sich jeweils mit verschiedenen Themenschwerpunkten beschäftigen. Die Veranstaltungen sind kostenlos, offen für alle und finden an Orten statt, die gemeinhin nicht mit DOK Leipzig in Verbindung gebracht werden, wie zum Beispiel dem Grassimuseum, dem UT Connewitz oder dem Institut für Zukunft, einem Techno-Club.
2017 machte das Festival mit umstrittenen Personalentscheidungen und Finanzierungslücken Schlagzeilen. Wirkten sich diese Umstände auch auf die kuratorische Arbeit aus?
Aufgrund der veränderten Personalstrukturen waren die anstehenden Aufgaben dieses Jahr nur durch einen großen Kraftaufwand von jedem Teammitglied zu bewältigen. Das wird sich hoffentlich 2018 ändern. So planen wir unter anderem eine verstärkte Zusammenarbeit mit Fremdkuratoren für die Sonderprogramme. Auch wollen wir zukünftig wieder mit der GFZK und dem Bildermuseum kooperieren. Ein großer Enthusiasmus treibt das neue Team an.
2016 besuchten rund 48.000 Gäste das Festival, davon waren etwa 1.900 Fachbesucher. Ist ein Ende des Wachstums erreicht?
Vermutlich schon. Wachstum allein ist durchaus zwiespältig, weil es nicht automatisch auch mit einem Mehr an Qualität einhergeht. Ich sehe das Festival vor allem als einen freien, sozialen Raum für Filmschaffende, Publikum und die beteiligten Institutionen.
Wohin also könnte die Entwicklung gehen?
Leipzig ist bereits das wichtigste deutsche Dokumentarfilmfestival und nimmt auch international eine Sonderrolle ein, weil es sowohl ein wichtiger Branchentreffpunkt ist, als auch ein großes regionales Publikum anzieht. Das ist ein schwieriger Spagat, weil beide Gruppen zum Teil unterschiedliche Erwartungen haben. So ist es zum Beispiel für das internationale Prestige, das sich vor allem aus der Fachpresse speist, wichtig, daß viele Premieren in Leipzig laufen. Das interessiert die normalen Kinogänger eher nicht, die wollen vor allem gute Filme sehen.
[ Dörthe Gromes ]