[ 27.04.2018 ] Am 9. Februar diesen Jahres wurde der Komponist Jóhann Jóhannsson in seiner Berliner Wohnung tot aufgefunden. Mit ihm verlor die Medienwelt einen außergewöhnlichen Künstler – und eine einzigartige filmmusikalische Stimme.
Jóhannsson wurde 1969 in Reykjavík geboren. Mit Musik kam der Isländer früh in Berührung, als 11jähriger lernte er Klavier und Posaune und versuchte sich an ersten Kompositionen. Während seines Literatur- und Sprachstudiums experimentierte er mit elektronischer Musik, produzierte Singles und spielte als Gitarrist in Indie-Rock-Bands. Ende der 90er Jahre wechselte er zur Programm- und Gebrauchsmusik, komponierte für die Theaterbühne, das isländische Fernsehen und schließlich für das Medium, das ihn über die Landesgrenze hinaus bekannt machen sollte: den Kinofilm.
Ob für klassisches Instrumentarium konzipiert oder für Elektronik – Jóhannssons Film-scores waren meist von einer gewaltigen Idee, von struktureller Sparsamkeit und einer starken Emotionalität geprägt, die sich paradoxerweise am besten als kühl beschreiben läßt. Möglich, daß sich hier Jóhannssons nordische Seele manifestierte oder lediglich seine spezielle Begabung, das Rauhe, das Archaische tonal einzufangen und Gegensätze klangvoll zu koppeln.
So mischt Jóhannsson für PRISONERS (2013) eines der zerbrechlichsten Instrumente mit einem der mächtigsten und schafft mit Glasharfe und Orgel eine frostige Elegie, deren Trostlosigkeit von auf- und absteigenden Violinen und Ostinato-Celli nur noch sekundiert werden muß. SICARIO (2015) hingegen, seine finsterste Arbeit, dringt tief in den körperlich spürbaren Raum vor, kratzt mit elektronischen Glissandi im Subkontra-Bereich und biestig pumpenden Rhythmen am Rand der Komfortzone.
Auch für ARRIVAL (2016), die dritte und letzte abgeschlossene Zusammenarbeit mit dem kanadischen Regisseur Denis Villeneuve, verläßt der Komponist mit tierischen, verfremdeten Sounds und zu Loops verflochtenen Stimm-Pattern einmal mehr betuliche Soundtrackpfade. Unerklärlich, daß Jóhannsson nicht für eine dieser irritierenden, kompromißlosen und wegweisenden Arbeiten mit dem Golden Globe ausgezeichnet worden ist, sondern für seinen wohl konservativsten Score: DIE ENTDECKUNG DER UNENDLICHKEIT.
[ Philipp J. Neumann ] Philipp fühlt sich inspiriert von CLUB DER TOTEN DICHTER, hat gelernt aus DAS SIEBENTE SIEGEL, ist gerührt von MAGNOLIA, hat sich wiedergefunden in THE SWEET HEREAFTER, wurde beinahe irr durch FARGO, ist für immer vernarrt in PONETTE und war schlicht plattgedrückt von DER HERR DER RINGE.