Editorial 08/24

[ 01.08.2024 ] Übers Kino wurde schon viel nachgedacht, Kluges und auch ganz Anderes in Worte gefaßt. Letztlich bleibt das Filmerlebnis immer eine sehr subjektive Angelegenheit, das zeigt auch, wie unterschiedlich namhafte Philosophen das Lichtspiel einordneten. Theodor W. Adorno war sehr streng und sah etwa im Kino das drastische Medium der Kulturindustrie, das Menschen in unaufgeklärte Konsumenten verwandele. Später, in den 60ern, gab er sich gemäßigter und erkannte immerhin im anspruchsvollen Film zarte Ansätze von Kunst und Befreiung. Sein französischer Kollege Gilles Deleuze lobte hingegen die Unmittelbarkeit von Film, weil eben mit Bildern und nicht mit Begriffen gearbeitet wird, was eine gezieltere Entfaltung von Bedeutungen zur Folge hat, im Gegensatz zur Schrift.

Der streitbare Martin Heidegger war zwar kein übergroßer Kinofreund, doch konnte er sich für Akira Kurosawas Klassiker RASHOMON erwärmen, erkannte darin den Schlüssel zur Entblätterung (fernöstlicher) Geheimnisse, während der Slowene Slavoj Žižek vom Medium Film gar als Begehrensmaschinerie sprach, es helfe, durch Überlagerung mit Fiktionen das Reale erst zu ertragen. Das gefällt mir schon, das Kino als Handreicher für ein besseres Durchkommen, quasi genau der Stoff, der stärker als der einzelne Zuschauer scheint. Žižek fand dafür den Begriff des Kinos als die ultimative pervertierte Kunst, die nicht zur reinen Erfüllung unserer Begehren gedacht ist, vielmehr gibt sie die Richtung unserer Seh(n)süchte vor.

Viel wurde auch über das Kino als Gemeinschaftserlebnis gesagt, ich glaube schon auch daran, gestehe aber, trotzdem lieber in die nicht so stark besuchten Nachmittagsvorstellungen zu gehen. Ich habe per se nichts gegen Gesellschaft, konzentriere mich im Kino aber lieber auf jene, die von der Bildwand grüßt. Gerade im August gibt es so viele wunderbare, sympathische, angsteinflößende, hilflose, skurrile, anrührende und kämpferische Typen, die sich zu einem ins Saaldunkel gesellen. Auszugsweise seien das Musiktalent Teresa in GLORIA!, der abgetakelte Glam-Rock-Psychokiller Longlegs im gleichnamigen Film, der naiv-gönnerhafte Unternehmer und Sprücheklopfer Micha in MICHA DENKT GROSS, die nicht korrumpierbare Judoka Leila im kraftvollen TATAMI, der clevere Bastler und träumerische Visionär Youri aus GAGARIN und all die wunderbaren „Ost-Weiber“ in DIE UNBEUGSAMEN 2 – GUTEN MORGEN, IHR SCHÖNEN! genannt. Ich denke, darauf kann man sich einigen: Derart viele schillernde Persönlichkeiten trifft man tatsächlich nur an einem Ort – im Kino.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.