Zärtlich, innig und voller Respekt ist die Beziehung zwischen dem siebzehnjährigen Estéban und seiner alleinstehenden Mutter Manuela. Die Mutter ist in Madrid für die Zuteilung aller Organtransplantationen zuständig. Der Vater weiß nichts von der Existenz seines Sohnes, doch Estéban drängt Manuela mit fordernden Fragen, mehr über seinen Vater zu erzählen.
Dazu soll es nicht kommen: als Manuela und ihr Sohn dessen siebzehnten Geburtstag mit einem Theaterbesuch feiern, kommt es im Anschluß zur Tragödie. Estéban versucht, vom Theaterstar Huma Rojo ein Autogramm zu bekommen. Als er ihrem Wagen hinterherläuft, wird er von einem Auto erfaßt und stirbt.
Der Schmerz über den unbegreiflichen Verlust treibt Manuela aus der Stadt. Sie zieht nach Barcelona, um Estébans Vater finden und macht einige Erfahrungen, die ihr gesamtes Leben verändern.
So lernt sie Huma Rojo kennen, eben jene Theaterdiva, die mitverantwortlich ist, für den Tod ihres Sohnes, und sie findet Estébans Vater: Lola, Transvestit.
Es ist kaum in Worte zu fassen, was der Retter des spanischen Kinos hier geschaffen hat. Almodóvar hatte schon immer einen Faible für abgründige und schräge Charaktere. Stets begegnete er ihnen mit unbeschreiblich viel Achtung, vermied Übertreibungen als simplen Unterhaltungsfaktor und verband immer menschliche Wärme mit einer Abgeklärtheit, die zum Überleben in der Großstadt nötig ist. Doch mit seinem vierzehnten Film stellt er sein gesamtes Werk in den Schatten. Sicher - es ist kühn zu sagen, daß seine hervorragenden Filme Ende der 80er nur dazu dienten, um jetzt sein Meisterwerk abzuliefern. Dennoch: eine so dichte, märchenhafte und trotzdem reale Welt zu schaffen, wie es ihm hier gelingt - das ist der Wurf eines Filmemachers, wie er kein zweites Mal glückt.
Almodóvar ist in den Seelen seiner Geschöpfe, geht mit ihnen auf dem Transvestitenstrich, macht die Angst vor Verletzung und Verlust der Würde spürbar und fühlt mit seiner Heldin den Riß, den der Tod ihres Sohnes hinterläßt.
Obwohl Manuela stark genug ist, neben Huma Rojo zu bestehen, sogar mit ihr zu arbeiten, ihre Probleme zu lösen, ist ihr Seelenschmerz spürbar. Zwar vermeidet sie, über den Tod Estébans zu reden, doch in jeder Geste, in jeder Regung ihres Gesichts, lebt ihre größte Qual weiter.
Almodóvar packt das Publikum, gönnt ihm keine Distanz und hinterläßt trotz aller Pein einen erstaunlichen Optimismus. Das ist die Handschrift eines Meisters. Amerikaner würden klebrige John Williams -Harmonien über die ergreifenden Bilder kleistern. Almodóvar verläßt sich auf das Eigenleben seiner Charaktere und gibt ihnen Stärke, wenn die Schwäche zerstörerisch würde. Es ist nicht möglich, sich diesem Film zu entziehen.
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.
Originaltitel: TODO SOBRE MI MADRE
Spanien/F 1999, 105 min
Label: Kinowelt
Genre: Tragikomödie, Schwul-Lesbisch, Schräg
Darsteller: Cecilia Roth, Eloy Azorin, Marisa Peredes
Regie: Pedro Almodóvar