Originaltitel: FAR FROM HEAVEN
USA 2002, 109 min
Label: Concorde HE
Genre: Drama, Schwul-Lesbisch
Darsteller: Julianne Moore, Dennis Quaid, Patricia Clarkson
Regie: Todd Haynes
Eigentlich läuft alles wie am Schnürchen. Die Kinder sind aufgeschlossen und adrett gescheitelt, der Gatte erfolgreich, das Auto geputzt, die schwarze Haushaltshilfe integer und das Herbstlaub bunt. Und doch schwebt über Cathys schönem Gesicht ein Schatten des Vagen, der Traurigkeit, ein Hauch von übler Vorahnung. Gerade noch wird sie vom Lokalblatt als Musterehegattin mit intakter Familie porträtiert, ist sie auf der Höhe ihrer Party-Vorbereitungen, als es sie vom heiteren Glückshimmel eiskalt erwischt: Cathy will ihrem arbeitsamen Mann Frank das Abendessen in die Firma bringen, wo er mal wieder über den vielen Akten schwitzt. Als Cathy die Bürotür öffnet, sieht sie, daß Frank Besuch hat. Der allerdings ist nicht wirklich geschäftlicher Art: Frank liegt küssend in den Armen eines Mannes.
Die Fassade beginnt zu bröckeln, Cathy und Frank suchen einen Therapeuten auf, und in ihrem Kummer vertraut sich Cathy ihrem Gärtner Raymond an. In kleinstem privaten Kreis geht die latente Homosexualität ihres Mannes gerade noch so durch, die sich anbahnende Freundschaft und Zuneigung zu Raymond allerdings nicht: Raymond ist schwarz, es ist Herbst 1957, wir sind in Connecticut ...
Größer können Dramen im Kino kaum sein, großartiger inszeniert allerdings auch nicht. Todd Haynes legt ein in Form und Rhythmus an die großen Melodramen der 50er erinnerndes Schicksalsepos vor, wie es berührender im Kino kaum zu erleben war. Er trifft genau das Gefühl einer so oberflächlich toleranten, einer nur scheinbar glücklichen Zeit, die vielmehr durch die verächtliche McCarthy-Politik gebrandmarkt ist, eine Zeit in der man reich, frivol, vergeßlich und ein bißchen blöd sein konnte: schwarz und schwul waren eher nicht so angesagt. Cathy ist die zurückgenommene Starke, die ihrem Mann immer den Rücken freihält. Sie akzeptiert seine "Ausrutscher", begleitet ihn zur Therapie und wahrt eifrig und pflichtbewußt die Etikette. Erst als Frank sie im Alkoholrausch ohrfeigt, ist sie bereit, sich nach außen zu öffnen. Allerdings nicht ihrer besten Freundin Eleanor, eine Figur die geradezu archetypisch für die bleierne Zeit der Oberflächlichkeit steht, vertraut sie sich an, sondern eben Raymond.
Während Frank durch das Ausleben seiner Bestimmung endlich frei sein kann, verliert sie bald alles, was ihr wichtig war: den sozialen Halt durch Kaffeekränzchen, den warmen Herd der Familie und zuletzt durch einen kleinen Funken Feigheit auch noch ihre aufflammende Liebe zu Raymond.
Haynes versteht es, mit großem Gefühl, sanften Gesten, einer verblüffenden Farb- und Musikgestaltung und einer feinen Prise Humor perfekt arrangiertes Kino zu zaubern. So ist sein Film viel mehr als nur eine Verbeugung vor dem Schaffen eines Douglas Sirk beispielsweise, er ist eher eine Hymne an die Zuversicht, ein Appell an den Mut, zu leben, wie mal leben muß. Auch wenns weh tut, auch wenn es erst einmal vereinsamt. Haynes ist am großen Gefühl ehrlich gelegen.
Sein größter Trumpf freilich liegt in der Besetzung Juliane Moores. Diese alabasterfarbene Seele, dieser Kristallsee märchenhafter Schönheit, dieser Inbegriff schneller Intelligenz und zeitlosen Stolzes ist eine Offenbarung auf der Leinwand, ein schriller Gruß an die Ästhetik, ein jubilierendes Hallo der hohen Spielkunst, ein süchtig machender Genuß. Dieser Frau den OSCAR, dann die Welt und was sonst noch geht!
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.