• Meinungen

Der erste Tag im Winter

Der Vergleich, den einige Journalisten mit Gus Van Sants ELEPHANT heraufbeschworen, der hinkt trotz referierender Bildsequenzen von bedrohlich wirkenden Schulfluren. Geht es im beeindruckenden Film des Italieners Mirko Locatelli doch eher um ein seelisches Massaker. Valerio wird schikaniert von Dani, in der Umkleide nach dem Schwimmtraining. „Schwuchtel, verdammtes Vieh!“ – da schwingt viel Wut mit. Vor allem Wut auf sich selbst, aufs ewige Versteckspiel – denn Valerio beobachtet Dani und Matteo beim Sex unter der Dusche. Dieses Geheimnis nutzt Valerio aus und setzt vor allem den sensiblen Matteo unter Druck – mit verheerenden Folgen.

Still, intensiv, in klug geschnittenen Bildern erzählt Locatelli von einer heranschleichenden Katastrophe, von den Unsicherheiten Aufwachsender, von verklemmter Sexualität in einem katholischen Land. Es ist eine traurige Geschichte über Intoleranz, über Druck, dem junge Menschen ausgesetzt sind, und dem sie sich gegenseitig ausliefern. Locatelli war gut beraten, diese Geschichte an einer ambivalenten Figur wie Valerio auszurichten, der nicht nur Opfer – ergo sympathisch – ist. Ein zerrissener Junge auf der Suche, auch nach sich selbst – was die ein wenig albernen Muskelspielchen vor dem Spiegel bestens unterstreichen.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.