Originaltitel: THE MAGDALENE SISTERS
GB/Irland 2002, 119 min
Label: Concorde HE
Genre: Drama
Darsteller: Geraldine McEwan, Anne-Marie Duff, Eileen Walsh
Regie: Peter Mullan
Ganz normale Mädchen. Margaret, Rose, Bernadette und Crispina. Die eine vielleicht etwas selbstbewußter, die andere etwas hübscher, vielleicht auch nicht ganz so schlau. Ganz normale Mädchen auf jeden Fall. Sie alle wurden ihren Familien entrissen, von ihnen verstoßen, aufgegeben. Warum? Weil Bernadette anfing, sich für Jungs zu interessieren, weil Crispinas Eltern sich ihrer Einfachheit schämten, weil Margaret es wagte, die Vergewaltigung durch den eigenen Cousin öffentlich zu machen, weil Rose ein Kind gebar, ohne verheiratet zu sein. Verachtenswerte Bigotterie, unmenschliche und verlogene Moralvorstellungen und schlichtweg kalte Herzen verdarben den Mädchen ihre Jugend, vergifteten Freimut, Hoffnung und den normalen Hunger aufs Leben. Sie kommen in eines dieser irischen Magdalenen-Heime, die seit dem 19. Jahrhundert in Irland bestehen, und dort erwartet sie alles andere als der göttliche Weg zur "Besserung". Hierarchien, diffamierende Schwestern der Barmherzigkeit, bluttreibende unentgeltliche Schwerstarbeit. Sexuelle Nötigung, härteste Strafen, die Verstümmelung der Persönlichkeit durch seelische und physische Tortur gehören zum ganz normalen Programm des alltäglichen Klostersadismus.
Die Mädchen wehren sich mit ihren Mitteln. Sie schweigen, sie trotzen sanft oder sie fliehen. Ihre Verzweiflung ist oft ausweglos, manchmal gebiert sie neue Hoffnung. Hoffnung auf ein Leben, das Erfüllung bringt, ein menschliches, ein freies Leben. Allein Crispina wird ohne Sonne am Ende bleiben. Sie verdingt sich bei Pater Fitzroy als sexuelles Spielzeug, in ihrer Einfachheit glaubt sie, dies Gott schuldig zu sein. Fitzroy wird weiter dem Herrn dienen, Crispina kommt ins Irrenhaus und stirbt dort sehr jung.
Peter Mullan erzählt von vier Schicksalen. Vier von mehr als 30.000 Mädchen und Frauen, die ihre "Sünden" in diesen Häusern büßen mußten. Erst gestern schloß das letzte Heim: 1996. Mullan liegt es fern, brachial zu manipulieren. Er erzählt seine Geschichte dennoch voller Wut, voller Courage und mit aller Ambition, der katholischen Kirche den Spiegel vorzuhalten - doch Mullan tut dies klug. Die Tränen werden erst im Abspann fließen, denn Mullan verzichtet im Film auf Streicher, die unverschämt von hinten in die Herzen geigen. Vielmehr überläßt er der Kamera die Gesichter der Mädchen, findet Momente, die aufwühlen, die schockieren, die entrüsten. Dies sind allerdings auch Momente, die deutlich machen, wie unmöglich damals eine Rehabilitierung der Mädchen in der Gesellschaft war. Da muß man einfach an Bismarck denken, der sich ganz sicher war, daß der Mensch nicht auf der Welt sei, um glücklich zu sein, sondern um seine Pflicht zu tun. Das wurde in Irland noch einmal anders verstanden. Und manche Versteinerungen lösen sich leider nie: wer jüngst durch den katholischen Provinzmief einiger europäischer Länder fuhr, den schauderts gehörig, was sich nun alles in einer Staatengemeinschaft wie der EU so tummelt und gemein macht.
Peter Mullan hat einen sehr bewegenden, einen politischen Film gemacht. Er bezieht Stellung. Eine Seltenheit im gegenwärtigen Kino. Daß nach der preisgekrönten Festivaluraufführung in Venedig der Vatikan tobte, ist ebenfalls ein klarer Punktsieg.
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.