Originaltitel: 4 Filme
F/I 1962–1973, 380 min
Label: Studio Hamburg
Genre: Komödie, Kult, Gangster
Darsteller: Lino Ventura, Charles Gérard, Françoise Fabian, Janine Magnan
Regie: Claude Lelouch
Claude Lelouch scheint mittlerweile doch etwas vergessen, in den letzten Jahren wurden die Filme weniger und auch weniger wichtig, dabei gehörte er doch zu den größten Regisseuren des französischen Kinos in den 60er Jahren bis hinein in die 80er – und er stach unter den ganz Großen heraus. Lelouch war nie ein so ernster Chronist der Gesellschaft wie der geschätzte Sautet, er war weniger verwegen als Blier, aber er war derjenige, der mit romantischem und dennoch akribischem Blick in Beziehungen zwischen Mann und Frau schaute, der sich für die sanfteren Seiten der Gangster interessierte und dabei den Humor nie vergaß.
Daran erinnert nun im Zuge von Lelouchs 80. Geburtstag auch die erste 4-Filme-Sammlung von insgesamt fünfen, eine Werkschau, die von den frühen Filmen wie DIE FAHNDUNG und DAS MÄDCHEN UND DER GANGSTER bis zu seinem großen Erfolg in den 80ern WEGGEHEN UND WIEDERKOMMEN reicht. Einer seiner größten Erfolge, EIN MANN UND EINE FRAU von 1966, fehlt indes. Und doch ist dieser präsent, schließt die vorliegende Sammlung doch mit EIN GLÜCKLICHES JAHR, in welchem Lelouch augenzwinkernd den eigenen OSCAR-Hit zitiert.
Zurück zu den Anfängen: Aus den Jahren 1962 und 1965 sind Lelouchs erste Filme DIE FAHNDUNG und DAS MÄDCHEN UND DER GANGSTER vertreten, beide in bestechendem Schwarzweiß, beide schon mit allerhand Kameraspielereien, von den Totalen geht’s im Blindflug zu unausweichlichen Close-Ups und zurück, so was liebte Lelouch! Überhaupt experimentierte er viel mit Kontrasten, mit einigen expressionistischen Einsprengseln, aussetzendem Ton, und oft sind die ersten filmischen Schritte im Stil von Live-Reportagen gehalten. In DIE FAHNDUNG wird ein ausgebrochener Frauenquäler gesucht, Lelouch jedoch nutzt dies zum Legen von falschen Fährten, ungelenke Kommissare und schräge Verfolgungsfahrten tun ihr übriges, um den Zuschauer komplett zu verwirren. Ein hinreißendes und erstaunlich versiertes Debüt!
In UNE FILLE ET DES FUSILS (DAS MÄDCHEN UND DER GANGSTER), dem Studio Hamburg zwar einen deutschen Titel gönnt, aber seltsamerweise eine angebrachte Untertitelung verwehrte, lernen wir vier Möchtegern-Gangster kennen, die sich aberwitzig durch die Schule des perfekten Ganoventums quälen – Reitversuche, Samuraigefechte, Rippenschläge und das Kidnapping einer doch auf den ersten Blick falschen BB inklusive. Lelouch beobachtet vier große Kinder, die das Schießen lieben, das Treffen aber noch üben müssen, es sind zauberhafte Poser, denen eine taubstumme Frau, die in Paris die Trottoirs bemalt, als etwas schräges Love Interest zur Seite gestellt wird. Manchmal glaubt man einer Parodie beizuwohnen, letztlich aber mag Lelouch seine spinnerten Figuren, die zudem große Kinofans sind, weshalb ihr Training ziemlich stark nach Western aussieht.
Überhaupt hegt Lelouch viel Sympathie für kleine Leute mit großen Träumen. Das spürt man auch den Freunden in SMIC SMAC SMOC aus den frühen 70ern an, die dem Ernst der Werftarbeit für einen Tag entfliehen wollen, Blitzhochzeit, Autoklau, Feilschen beim Anzugkauf und Zeche- und Benzinprellen inklusive. Auch hier besticht der reportagenhafte Stil, ein „richtiger“ Film will das gar nicht sein, Lelouch spinnt einen lockeren Faden mit Gesprächen einfacher Leute über Politik, Lohn und das Wetter, man lernt dazu, daß man in Marseille freitags nun mal Fisch ißt. Die anderen Tage aber auch ...
Eine deutlich „reifere“ Arbeit liefert den Abschluß der ersten Viererfolge: Zwischen raffiniert und verspielt erzählt der Film EIN GLÜCKLICHES JAHR vom Gangster Simon, der trickreich sich ins Herz einer Antiquitätenhändlerin schummelt, sich dabei selbst richtig verliebt und doch den Blick fürs Eigentliche nicht verliert: Der benachbarte Juwelier soll ausgeraubt werden. Was wunderbar klappt, zahlreiche Latexmaskeraden inklusive, nur ein klitzekleines Detail wurde übersehen, sechs Jahre Knast sind die Folge ...
Selten sah man den großen Lino Ventura so wandelbar wie hier, als harten Hund, Liebhaber und sogar als Komödiant! Lelouch gelangen wunderbare Dialoge, er enttarnt mit Witz eine Gesellschaft, nach der jeder den anderen ein wenig bescheißen will, und überhaupt gönnt sich Lelouch auch hier manch’ schräges Einsprengsel, wozu auch eine Mireille-Mathieu-Travestienummer gehört, in der ein leidlich überzeugend aufgeputzter Kerl Mathieus großen Hit „La bonne année“ trällert und die echte Mireille im Club sich prächtig amüsiert.
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.