F 1990-2000, 524 min
Label: Studio Hamburg
Genre: Drama, Komödie
Darsteller: Béatrice Dalle, Vincent Lindon, Gérard Lanvin, Annie Girardot
Regie: Claude Lelouch
Rechteverwertung hin oder her, man tat dem retrospektiven Blick auf das Werk Claude Lelouchs keinen Gefallen, die Reihe auf fünf Teile zu dehnen, denn gerade nach dem starken Teil 4 muß man den in der fünften Edition versammelten Filmen aus den 90ern und Nuller Jahren so ziemlich ausnahmslos das Schlimmste attestieren, was man einem Filmemacher und seinem Schaffen nachsagen kann: Sie sind banal.
Los geht es mit SO SIND DIE TAGE UND DER MOND, in dem Lelouch gleich zu Beginn einen Physiker über das Böse, das Unheilvolle des Mondes parlieren läßt, in einer Aufgeregtheit, die befremdet. Dann wird das Tor aufgestoßen für allerlei schräge Eheschließungen, die eben unter keinem guten Stern, ergo Mond, stehen, denn nur wenige Jahre später schauen die einst so verliebt Getrauten auf die Scherben ihres Bundes: Streit, Eifersucht, Fremdgehen, der Alltag ist eben manchmal auch nur öde. Lelouch greift in die Eso-Kiste, alles ist verbunden, im Fluß sowieso, dies gerät zunehmend dröge und konfus, die einzigen Lichtblicke sind die Erkenntnis, wonach die Zeitumstellung schon immer eine ungemein sinnfreie Erfindung war, und das wunderbare Spiel Annie Girardots, die auch im leichten Fach überzeugt.
Und auch ALLES FÜR DIE LIEBE geht mit allerlei Gesabbel los, dieses Mal über die Dynamik der Liebe. Und Lelouch hätte bei diesem Film einfach jemanden ins Buch schauen lassen sollen, dann wäre der Karren gerettet worden, weil die Geschichte eigentlich eine charmante ist, die vom Kleinganoventum erzählt, von Taschenspielertricks, vom Beklauen derjenigen, die eh genug haben. Lelouch aber überkleckst dies mit einer Parallelplotsauce, warum nun die Anwälte und Richter der später ins Spiel kommenden Gauner eine Wanderung zum Mont Blanc machen und dort einen Partnertausch forcieren, für den man sich schämen muß. Krampfig auf frivol gebürstet, geradezu versessen läßt Lelouch den sich in einer an Idiotie erinnernden Performance verlierenden Fabrice Lucchini über Fellatio, Kartoffeln im Sack und unbedingtes Eichellecken parlieren. Immerhin spielt der häufig unterschätzte Jacques Gamblin in der ihm ganz eigenen Art einen traurigen Clown, einen Friseur und späteren Knacki, der sich mit dem hauseigenen Shampoo ins Jenseits befördern wollte. So halbwegs zumindest ...
Mit den Jahren rutschte Lelouch häufiger ins Manierierte, da ist auch EINE FÜR ALLE keine Ausnahme, denn wieder entschied sich der Filmroutinier für eine gestelzt erzählte Rahmenhandlung, wobei es eigentlich auch egal ist, denn der eigentliche Plot ist ebenso hanebüchen und von durchaus banaler Erkenntnis: Vier Frauen, denen es vielleicht schon mal besser ging, die aber keinesfalls an totaler Not leiden, prostituieren sich so ein wenig, sie tun fast alles für den Erfolg, den schnöden Mammon, die ins Visier geratenen reichen Männer dürfen dabei die Deppen spielen ... Man spürt Lelouchs kindlichen Willen, Feministinnen nach dem Mund zu filmen, er entpuppt sich mit dieser klapprigen Kritik an Macht, Geld und Kapitalismus allerdings eher als naiv und fast schon reaktionär.
Und schließlich noch der dreistündige DIE SCHÖNSTE GESCHICHTE DER WELT, ein erneuter Versuch Lelouchs, alles, aber auch wirklich alles in einem Film zu bündeln, den großen Bogen ins Heute aus der Historie, hier eben die Jesus-Geschichte, zu schlagen, Vergangenes mit der Jetztzeit zu verknüpfen. Er taucht wieder ein ins wabbelnde Flachwasser der Reinkarnation, seine Figuren heißen Jesus und Marie, alles steuert unverkennbar auf ein Finale zu, bei dem sich alte Bekannte aus der Zeit vor 2000 Jahren wiedertreffen, vielleicht erkennen, mindestens aber erspüren. Die Fäden sind arg grob gesponnen, im Duktus geriet der Film ohnehin zu überdeutlich, immerhin spielt Béatrice Dalle mal wieder den leicht nuttigen Freak, und der irgendwie unterschätzte Gérard Lanvin zeigt, daß er eigentlich der bessere Delon hätte sein können. Dauerflankiert wird das Bibel- und Liebesstück vom nervigen Chanson „La belle histoire“ und dem ewigen Rascheln diverser Flamenco-Künstler.
Außerdem: Das Wechselspiel aus Tränen, Krausestirn und Honigkuchenpferdegrinsen von Lelouchs junger Frau Marie-Sophie ist man sowieso leid. Gut, daß sie sich mittlerweile aufs Kochbuchschreiben konzentriert ... Irgendwie, auch wenn es gehässig scheint, barg jene Nachricht doch auch Gutes: Zum Jahreswechsel wurde Lelouch die einzige Kopie eines neuen Drehbuchs gestohlen, es sollte mal wieder eine Geschichte über die Menschen im 20. Jahrhundert sein, Sie wissen schon, der ganz große Bogen ...
[ Michel Eckhardt ]