274 min
Label: Pierrot le fou
Genre: Liebe, Drama, Klamotte
Darsteller: Jean Marais
Regie: Jean Cocteau
Jung war er, gerade mal 24, als er auf Jean Cocteau traf. Der, knapp 50, nahm sich des attraktiven Jean Marais an und machte ihn zu seinem Freund, Liebhaber und dann zum Star. Da war Cocteau längst selbst schon einer, seine Blütezeit hatte er bereits in den 20ern als junger, wilder Zeichner und später auch als Dichter. Seine malerischen Werke sind dabei so anders als seine späteren Filme. Gleichsam poetisch, aber doch war er beim Zeichnen eher leichtfüßig, mit einfachen Strichen auskommend, von fast kindlicher, immer zeitloser Anmut.
Seine Filme hingegen sind bis auf wenige Ausnahmen rätselhafte, verschlüsselte Abhandlungen mythologischer und psychologisierender Themenkomplexe. Und dabei sehr spielerisch, mit – für die damalige Zeit – verblüffenden Tricks, Spiegelungen und Lichteffekten. Sechs Langfilme schuf Cocteau in der Tonfilmzeit, fünf davon mit Jean Marais. Das populärste, schönste und auch verständlichste Werk darunter ist DIE SCHÖNE UND DAS BIEST, das in der vorliegenden Box nicht beinhaltet ist.
Dafür ist der größte künstlerische Erfolg in der Zusammenarbeit der beiden dabei: ORPHÉE aus dem Jahre 1950. Cocteau nahm sich der tragischen Liebesgeschichte um Orpheus und Eurydike an, verlagerte diese in die Moderne. Da nimmt Cocteau höchstpersönlich allen Zweiflern den Wind aus den Segeln, erklärt er direkt im Film aus dem Off, daß „ ... es das Vorrecht der Legende sei, zeitlos zu sein!“ Jean Marais liefert eine seiner beeindruckendsten Leistungen, Cocteau inszeniert geistreich, ideenvoll und trotz des Themas „La mort“ erstaunlich augenzwinkernd. Und wie oft in seinen (zumindest malerischen und literarischen) Werken auch hier latent homophil. Dafür steht ein langer, intensiver Blickkontakt zwischen den Dichtern Orphée und Jacques Cegeste im Café des poétes. Dem eine wilde Keilerei folgt, Auftakt zur Tragödie. ORPHÉE gewinnt für unsere Ohren auch durch die deutsche Synchronisation, denn Jean Marais hatte viele Talente. Seine im Original eher quäkige Stimme stand denen aber entgegen.
Daran leiden die beiden anderen Filme, DER DOPPELADLER und DIE SCHRECKLICHEN ELTERN (beide 1948), die nur in der französischen Sprachfassung vorliegen. In DER DOPPELADLER wird auch von einer unmöglichen Liebe erzählt – der zwischen dem Anarchisten Stanislaus, welcher dem verstorbenen König so ähnlich sieht, und der hinterbliebenen Königin. Stanislaus kam im Mordauftrag und schied schließlich in Liebe dahin. Das ist gut ausgeleuchtetes Ausstattungskino mit schönen Naturaufnahmen, ärgerlich ist der schlechte, regelrecht rotzende Ton, der zum ohnehin schwer verständlichen Duktus des Films beiträgt. Da sagt Marais als Anarchist an einer Stelle zu Recht: „Oh Herr, hilf es mir zu verstehen ...“
Wenig anzufangen ist mit dem komisch gedachten DIE SCHRECKLICHEN ELTERN. Marais spielt (ziemlich überzogen) ein Muttersöhnchen, das eine Liebschaft anfängt, bis schließlich herauskommt, daß seine Auserwählte mit seinem Vater was zu laufen hat. Das ist leider nicht mehr als ein ziemlich witzfreies Kammerstück, eine Art staubiger Vorläufer des ohnehin antiquierten Ohnsorg-Theaters. An jedem Dialogende geht eine Tür auf, man befürchtet regelrecht, daß Heidi Kabel gleich um die Ecke poltert.
Nein, mit der Komik hatte es Cocteau wahrlich nicht, und auch Jean Marais macht zumindest optisch nur so lange was her, wie er nicht grinst. Der erste Versuch einer Verfilmung von DIE SCHRECKLICHEN ELTERN scheiterte an der Mobilmachung, es hätte dabei bleiben sollen. Zur besseren Einschätzung der Größe Cocteaus bleiben die beiden erstgenannten Filme und vor allem seine Schriften.
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.