Die siebzehnjährige Mamlakat lebt mit Vater Safar und Bruder Nasreddin in einem Kaff bei Samarkand. Ihr größter Wunsch ist es, eine berühmte Schauspielerin zu werden. Vorerst muß sie sich allerdings mit einer kleinen Ensemble-Rolle in einer Laienspielgruppe zufrieden geben, die als Obst und Gemüse verkleidet Kolchos-Feiern mit Gesang und Tanz unterhält. Vater Safar zeigt Verständnis für die künstlerische Leidenschaft des geliebten Töchterchens und erlaubt ihr, das Gastspiel eines Wandertheaters zu besuchen. Obwohl sie die Aufführung verpaßt, soll der Abend für
Mamlakat magisch werden. Mit einem Unbekannten, der sich als Schauspieler und Freund des von ihr verehrten Leinwandstars "Top Krus" ausgibt, verbringt sie die erste Liebesnacht ihres Lebens - und wird prompt schwanger. Dafür hat Safar dann weniger Verständnis. Nachdem der erste ungestüme Wutanfall verebbt ist, macht er sich mit Mamlakat und Nasreddin auf den Weg, um den Erzeuger seines noch ungeborenen Enkels aufzutreiben und ihn zum legitimen Schwiegersohn zu machen.
Regisseur Khudojnasarov schildert den Ausflug des Familientrios als Aneinanderreihung von überdreht-chaotischen Slapstick-Nummern und wunderbar pointierter Situationskomik - da bleibt kein Auge trocken! Der aufbrausende Vater und der durch eine Kriegsverwundung geistig behinderte Nasreddin stürmen Theaterhäuser, bringen Vorstellungen zum Platzen und verprügeln Hauptdarsteller auf offener Szene. All das natürlich vor der beeindruckenden Kulisse usbekischer Landschaften, die aber nicht nur illustrieren. Khudojnazarov setzt sie ein, um eine groteske Wirklichkeit einzufangen, die Phantasie und Traum um Längen schlägt. Die von Bürgerkrieg zerfurchte Gegend um
Samarkand wird bei ihm zum Wilden Osten: Wegelagerer und Desperados durchstreifen das Land in klapprigen Panzern, falsche Ärzte rufen zu Blutspenden auf, um die Konserven gewinnbringend zu verkaufen, Flugzeugpiloten stehlen das weidende Vieh aus der Luft.
In dieser alptraumhaften Kulisse inszeniert der gebürtige Tadschike mit Mamlakats Liebesnacht eine der ungewöhnlichsten Sexszenen der Filmgeschichte: in mondbeschienenem, bläulichen Halbdunkel rutscht sie mit geschlossenen Augen einen Abhang hinunter, vorbei an Gräsern und Blumen, umfangen von den Armen des fremden Geliebten. Kein Kuß, nur Fallen und Rauschen. Kein überflüssiges Wort, nur Flüstern. Klasse!
[ Sylvia Görke ]
Originaltitel: Luna Papa
Österreich/Rußland/CH/F 1999, 107 min
Label: Kinowelt
Genre: Tragikomödie, Schräg
Darsteller: Chulpan Khamatova, Moritz Bleibtreu
Regie: Bakhtiar Khudojnazarov