Nomaden der Lüfte

Wurde man vor sieben Jahren im Freundeskreis milde belächelt, als man sich für Marienkäferchen, Kreuzspinnen und die gemeine Skarabäuslibelle begeisterte, wachen Geistes Geld für Kinokarten ausgab, um sich diesen possierlichen kleinen Freunden in MIKROKOSMOS auf der großen Leinwand anzunähern, könnte einem wiederholt ähnliches Kopfschütteln begegnen, weil man nun scheinbar auf die Fluggans gekommen ist.

Doch nicht nur auf die allein, denn der leidenschaftliche Filmer Jacques Perrin schickt uns mit dem grazilen Jungfernkranich, der Löffelente, dem Glockenreiher und auch mit Albatros, Pinguin und Weißstorch auf die faszinierende Reise über rote Klippen, grüne Highlands, schroffe, sandige Canyons, durch die noch intakte Skyline Manhattans, vorbei am ehrwürdigen Eiffelturm, hinab zu Gletscherlandschaften und Eiswüsten. Spektakuläre Fotografien, atemberaubende Dokumente der Natur und zugleich ein philosophischer Exkurs über Mensch und Tier, übers Kämpfen und Überleben, über Sein oder Nichtmehrsein. Perrin spart nicht aus, daß nur ein kleiner Teil der migrierenden Vögel diese ungemeine Strapaze übersteht.

Gravierende Umweltverschmutzungen, hirnlose Jäger und eben auch Raubtiere als natürlicher Feind schmälern den Troß der gefiederten Freunde. Perrin versucht spielfilm-dramaturgisch zu arbeiten, was ihm streckenweise auch sehr gut gelingt. Mitunter verfällt er dabei allerdings in einen etwas distanzlosen Plauderton, so daß man meint, hier wünsche sich wer Flügel und das nicht im poetischen Sinne. Doch weil ein Regisseur seine Mimen lieben sollte, sei auch ihm diese etwas romantische Verbrüderung nachgesehen. Durch Perrins akribische und komplexe Arbeit ist eben keine pantoffelige Expedition ins Tierreich für Frühpensionäre entstanden, sondern echtes Kino.

Auch wenn ob der spontanen Begeisterung fürs Federvieh Freundschaften ins Wanken geraten - bereits der Erfolg von MIKROKOSMOS hatte gezeigt: man ist ja nicht allein. In der Hoffnung, daß den NOMADEN ein ähnliches Interesse wie dem Volk der Gräser vergönnt ist.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.

Originaltitel: LE PEUPLE MIGRATEUR

F 2001, 99 min
Label: Kinowelt HE

Genre: Dokumentation, Natur, Poesie

Regie: Jacques Perrin, Jacques Cluzaud, Michel Debats