Originaltitel: 101 REYKJAVÍK

Island 2000, 93 min
Verleih: Kinowelt

Genre: Komödie, Schräg

Darsteller: Hilmir Snaer Gudnason, Victoria Abril, Hanna Maria Karlsdóttir, Baltasar Kormákur

Stab:
Regie: Baltasar Kormákur
Drehbuch: Baltasar Kormákur

Kinostart: 15.08.02

1 Bewertung

101 Reykjavík

Leben in Island – ein Alptraum?!

Der trübe Blick aus umringten Augen fällt auf die Besetzungsliste und erspäht dort den Namen Victoria Abrils. Ein nostalgischer Seufzer entflieht rauhen Lippen, Erinnerungen an Filme wie KIKA, welche die Almodóvar-Muse veredelte, werden wach. Dann sitzt man im Kino und stellt fest: Die nicht mehr taufrische Vollblutschauspielerin hat einen Teil ihres Feuers verloren, schafft es aber immer noch, die Leinwand zu erleuchten.

Genau das hat vorliegendes Filmchen auch bitter nötig! Die zentrale Hauptfigur reißt es jedenfalls nicht raus – dieser junge Mann namens Hlynur schaut zwar an sich ganz fesch aus, verunstaltet sich jedoch gern selbst durch fiese Hornbrille und Bettvorleger auf dem Kopf. Ansonsten wohnt er noch bei Mama, sieht sich selbst als tot an, scheut Arbeit wie der Teufel das Weihwasser, zieht allabendlich durch die Reykjavíker Kneipen, vögelt manchmal mit seiner Freundin, die er nicht liebt, stellt dabei fest, daß ihm Sex zuwider ist, und labert Schwachsinn ("AIDS ist eine gute Selbstmordmethode"). Ein sympathischer Antiheld? Die Wahrheit ist schlimmer und nennt sich "langweiliger Verlierer."

Jeder halbwegs denkende Mensch will nun aufspringen und diese Nulpe in den Hintern treten. Zum Glück tut genau das Lola – spanisch, lebenshungrig, lesbisch. Dem Kennenlernen folgt Alkohol, diesem wiederum eine heiße Nacht mit anschließender Schwangerschaft. Nicht der einzige Schock für Hlynur, sprengt doch seine Mutter alle Konventionen und gesteht ihm ihre Liebe zu Lola ...

Letzteres ist recht humorvoll und anrührend geschildert, dennoch bleibt ein furchtbar fader Nachgeschmack: zu unreflektiert die Darstellung des trostlosen Umfeldes, zu bezugslos der ganze Film. Der Regisseur sieht sein Werk als "Hommage an die Stadt, in der ich aufgewachsen bin." Da kann man nur eine Kerze entzünden, ein Stoßgebet zum Himmel schicken und hoffen, daß neben den hier verarbeiteten keine weiteren psychischen Schäden zurück geblieben sind – und er niemals einen Film über etwas dreht, das er wirklich haßt. Amen.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...