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13 Tzameti

Schwer zu verdauender Abgesang auf den Wert des menschlichen Lebens

Es gibt vieles, was im Kino für Angst sorgt. Gesichtslose Killer beispielsweise, Blutorgien, widerwärtiges Getier. Wer sich allerdings auf 13 TZAMETI einläßt, wird nach anderthalb Stunden um die Erfahrung reicher sein, daß auch simple Glühlampen zum Festkrallen im Sessel führen können. Fast zwingend regnete es in Amerika Kritiken, welche glaubten, einen neuen Hitchcock oder Polanski gesichtet zu haben – was schon deshalb nicht stimmt, da beide Altmeister bei allem Gespür für seelische Abgründe nie derart düster, zermürbend und letztlich hoffnungslos inszenierten.

Dabei bereitet anfangs nichts auf den baldigen Psycho-Terror vor. Im Gegenteil: Edle Schwarz-Weiß-Fotografie und so sparsame wie hypnotisierende Musikuntermalung lullen sogar ein, während wir dem jungen Sébastien beim Reparieren eines Villadaches und beim Belauschen seiner Auftraggeber – Monsieur Godon nebst Gattin – zusehen. Gut, vielleicht pflegen die beiden einen ungewöhnlich harschen Umgangston, aber das hat sicher mit Godons Rauschgiftsucht zu tun, die seine Frau eben belastet. Ein gemächlicher Anfang, sogar etwas langatmig.

Doch dann taucht plötzlich ein Brief auf, welcher das Paar von allen finanziellen Sorgen befreien soll. Ganz langsam macht sich nun Unbehagen breit und nimmt weiter zu, als der Alte unerwartet stirbt. Sébastien stiehlt das Schriftstück und kommt den nun folgenden Anweisungen nach, was er besser unterlassen hätte. Denn diese Schnitzeljagd des Schreckens führt ihn direkt in die Hölle eines Geheimbundes, in eine menschenverachtende Welt, die mit Geld alles kauft, keine moralischen oder humanen Grenzen kennt, deren Anhänger mit Verzweiflung und Elend wuchern, sich zu Henkern aufschwingen, ohne dabei selbst ihre Finger zu beschmutzen ...

Bloß so viel sei jetzt noch gesagt: Obwohl der Bilderreigen kaum etwas von seiner rauschhaften, wie für die Kinoleinwand gemachten Pracht verliert, geht ihm unvermittelt jede Schönheit verloren. Nun blickt man in verzerrte Gesichter, riecht förmlich den Angstschweiß, spürt nackte Panik im Kellerraum. Man starrt auf die bereits erwähnte Glühlampe, deren Aufleuchten indirekt über Leben oder Tod entscheiden wird. Während Sekundenbruchteile Auslöschung bedeuten, nimmt sich die Kamera qualvoll lange Zeit zu verharren, zwingt zum Hinsehen, wo man wegschauen möchte, steigert die Beklemmung ins Unerträgliche.

Eine optimistische Botschaft, das erlösende Finale sucht man vergebens, dieser monströse Brocken im Gewand eines modernen Film noir ist ohne Zweifel zynisch, gar nihilistisch zu nennen. Was neben der Verstörung bleibt, ist ein Hieb in den Magen, ein Schuß ins Innerste. Weil sich die Barbarei hier eben nicht in cineastischen Psychopathen manifestiert, fiktiven Horrorgestalten also, welche nach dem Abspann auf der Leinwand zurückbleiben, ohne das wahre Leben zu berühren. Nein, die Degeneration lauert in scheinbaren Normalbürgern, hinter feinem Zwirn und pervertiert noblen Umgangsformen.

Ein weiterer Grund, wieso man nach diesen 90 im allerbesten Sinne quälenden Minuten erneut versteht, wieso Autor Thomas Bernhard einst so simpel wie punktgenau konstatierte: "Ausgerechnet der Mensch ist unmenschlich."

Originaltitel: 13 TZAMETI

F/Georgien 2005, 90 min
FSK 18
Verleih: Weltecho

Genre: Drama, Thriller, Killer

Darsteller: Georges Babluani, Aurélien Recoing, Pascal Bongard, Fred Ulysse, Nicolas Pignon

Stab:
Regie: Géla Babluani
Drehbuch: Géla Babluani

Kinostart: 10.04.08

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...