Originaltitel: 20.000 ESPECIES DE ABEJAS
Spanien 2023, 128 min
FSK 6
Verleih: DCM
Genre: Drama
Darsteller: Sofía Otero, Patricia López Arnaiz, Ane Gabarain, Itziar Lazkano
Regie: Estibaliz Urresola Solaguren
Kinostart: 29.06.23
Es dauert noch einen Moment. Oder auch zwei. Dann aber wird es im fiktionalen Kino sicher einen Film geben, der wirklich nah und völlig ohne vorgeblich helfende Klischees bei Trans-Kindern bleibt, um von ihren frühen Hürdenläufen und späten Freuden zu berichten, endlich im passenden Ich anzukommen und gesehen zu werden. Ein Film also, der diese Kinder nicht vorschiebt, um über Erwachsene zu erzählen, gern über Mütter, die verstehen, und Väter, die hadern, Großeltern, entfernte Verwandte oder nahe Bekannte, die es gut werden lassen. 20.000 ARTEN VON BIENEN geht allein aufgrund einer umwerfenden 8jährigen Hauptdarstellerin in die richtige Richtung. Noch ein wenig mehr Mut der Regisseurin zur Reduktion, und es hätte klappen können mit „siehe oben.“
Aitor küßt nicht gern und den Papa sowieso nicht. Er pullert im Sitzen, lackiert sich die Fingernägel blau, findet lange Haare toll, schämt sich wegen seiner Zehen und fühlt schon länger eine Ahnung. Wie eine Knospe, die nicht aufzuhalten ist, sich dem Licht zu zeigen. Das ist auch so ein heikles Bild, stimmt wohl, aber in diesem katalanischen Sommer soll es für Aitor wirklich so weit sein. Doch: Nennt ihn besser nicht Aitor! Sagt Coco auf dem Weg und Lucia zum Schluß.
Mutter Ane fährt mit ihren drei Kindern, Coco ist das jüngste, zur Taufe des Neffen ins Heimatdorf. Sie reist auch für sich, denn sie will in der Werkstatt ihres gestorbenen Künstlervaters an eigenen Skulpturen arbeiten und Dinge klären. Die Abwesenheit der Männer ergänzt, neben der Großmutter, vor allem eine Tante, die Bienen züchtet, nackt im Fluß schwimmt und zu Coco noch am ehesten eine verstehende Beziehung aufbauen kann, während die Kleine wechselweise in tiefer Traurigkeit versinkt, sich an wunderschön anzusehende Inseln des Alltags mit einem gleichaltrigen Mädchen aus dem Dorf klammert und Fragen fragt. „Denkst Du“, an ihren Bruder gerichtet, „irgendwas ist schiefgegangen, als ich in Mamas Bauch war?“ ist eine davon. „Hast Du schon immer gewußt, daß Du ein Junge bist?“ die zweite.
Estibaliz Urresola Solagurens Film ist nachdrücklich poetisch und in stillen Beobachtungen am stärksten. Wenn die kleine Sofia Otero nur schaut und man sie anschauen muß und bei ihr ist. Eben ganz nah. Und die Allegorie eines Bienenstocks plötzlich genügt, weil die kaum hilfreichen Seitenstränge mit Erwachsenen sich selbst erledigen.
[ Andreas Körner ]