Daß an dieser Schule etwas Furchtbares passieren wird, ist schon zu Beginn klar. Alle Figuren bewegen sich in Zeitlupe, das Laub der Bäume im Schulhof glänzt in einem trügerischen Grün. Schon läßt sich eine Tür nicht öffnen, hinter der eine Schülerin das Schlimmste vermutet. Die Uhr dreht zurück, und wir sehen in Gesichter. Die direkt zu uns sprechen, in Schwarz-Weiß, was gar nicht nötig wäre: ihre Geschichten, ihre knappbiographischen Erörterungen sind auch so authentisch genug.
Steven humpelt durch ein verkürztes Bein, ist außerdem inkontinent - ein Musteropfer für den Spott der Anderen. Marcus ist strebsam, sehr gut in der Schule, für seinen Vater jedoch nicht gut genug. Seine Schwester Melody bricht zusammen, als sie erfährt, daß sie schwanger ist. Es ist jedoch nicht die Tatsache der Schwangerschaft allein, die sie so fertig macht. Sean kifft sich in die schmerzfreie Zone, da er wegen seines Coming Out auch nur dumm gemacht wird, das Alphatier Luke haut auf den Putz und ist nur einmal beim direkten Einsprechen in die Kamera ehrlich: über manche Dinge würde er niemals reden ...
Willkommen im Vorhof der Teenagehölle. Willkommen im normalen Leben an einer Highschool. Das Thema des Kinodebüts von Murali K. Thalluri, ein ambitioniert erzählender Mittzwanziger, ist die große allgemeine Verunsicherung. Die Angst geht um auf dem Schulhof, die Angst vor dem Versagen, vor der Lächerlichkeit, die Angst davor, für etwas bestraft zu werden, was einzufordern die normalste Sache der Welt ist: Glücklichsein. Nach eigener Façon. Thalluri ist ganz nah dran an den realen Nöten der Jugendlichen, er zählt einfach auf, wie es zur Sackgasse kommen kann. Die Lehrer sind überfordert und ignorant, die Eltern egoistisch und hochleistungsorientiert, die Mitschüler - da selbst unter Druck - den Schwächeren gegenüber unerträglich brutal.
In der Form schielt der Filmemacher schon ein wenig nach Gus van Sants ELEPHANT: die tänzelnde Kamera auf den Fluren, das Filmen der Personen im Gang von hinten, die Parallel- und Gegenmontage. Dennoch ist 2:37 ein ganz eigenständiger Film geworden, vielmehr noch eine erschütternde, nüchtern und ohne billigen Effekt erzählte Parabel über stumpfen Druck. Da Thalluri glaubwürdig erzählt, seine Figuren so echt scheinen, kann man es kaum noch von der Hand weisen: die Welt ist im Eimer.
Originaltitel: 2:37
Australien 2006, 96 min
Verleih: Central
Genre: Drama, Teenie, Schwul-Lesbisch
Darsteller: Teresa Palmer, Joel Mackenzie
Regie: Murali K. Thalluri
Kinostart: 13.09.07
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.